Waldkönigin

Das ist des Försters Töchterlein!
Wie weh'n ihr reich die Locken!
Wie schaut ihr sonnenvoller Blick
In's Land so glückerschrocken!

Ihr Haus am hellen Fliederzaun
Steht lustigkeck im Winde.
Es legt sich auf Gebälk und Dach
Breitästig eine Linde.

Sie ist die junge Königin
In diesem Reich der Haide.
Die Locken fliegen lang herab -
Ein Kaiserkleid von Seide.

Sie hält ein blüh'ndes Lindenreis
Wie'n Scepterstab von Golde.
Die alten Stämme neigen sich,
Geht sie vorbei, die Holde.

Die scheuen Hirsche folgen ihr
Wie dienende Trabanten.
Es legt der Thau um ihre Stirn
Den Reif von Diamanten.

Und Nächtens in ihr Kämmerlein
Ziehn königliche Träume.
Dann dehnen sich die Wände sacht,
Als sei'n sie Schlossesräume -

Sie träumt von einem Königssohn,
Der naht mit Kuß und Kosen;
Doch klettert nur am Fensterlein
Ein kecker Busch von Rosen.

Sie träumt von einem Kronenreif
Im Haar, die süße Dirne;
Doch ist es nur das Mondesgold,
Das gleißt auf ihrer Stirne ...

Und der entrückte Thron der Nacht
Winkt sterngestickt dem Kinde;
Wie Königswimpel weht vom Dach
Das Goldgeäst der Linde.

aus: Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Leipzig 1885

Collection: 
1885

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