Verhängniß

Das war des Lebens wunderreichste Stunde,
Als ich dich fand,
Als Schönheitspracht mit Anmuthreiz im Bunde
Dem Blick erstand.

Das war kein mähl'ges Herz-zu-Herz-gewöhnen
Im Alltagstrott,
Was Liebe heißt mattherz'gen Erdensöhnen
Zum Hohn dem Gott.

Ein Finden war's, ein seliges Erkennen
Am Schicksalstag,
Ein rasches Lodern, plötzliches Entbrennen,
Ein Blitz, ein Schlag!

Einst spielten wir in sel'ger Weltenferne,
Im Tiefsten eins,
Bis grimmer Zwang uns trug zum Erdensterne,
Zur Welt des Scheins.

Im ird'schen Streit wir mußten fremd uns meiden,
Wir suchten lang'
Nun fand ich dich, und nie mehr soll uns scheiden
Des Schicksals Zwang.

Nichts stillt, was auch das Dasein hold uns schmücke,
Der Seele Leid;
Schaut dich mein Aug', fehlt nichts zu meinem Glücke
In Ewigkeit.

Ein Paradies, drin du nicht zu entdecken,
Ist Wüste mir,
Mit dir blüht Glück selbst auf des Nordpols Strecken,
Ich folge dir.

Wo du mir winkst, darf sich die Seele sonnen
Im Glanz des Lichts,
Ohn' dich ist mir die Welt mit ihren Wonnen
Ein schales Nichts.

Aus: Gedichte von Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890

Collection: 
1890

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