Briefwechsel

I.
Er schreibt:
Jetzt, da mein Leben schon zerstört, verwittert,
Bist du, ein Licht des Friedens, mir erschienen,
Wie auf in Staub zerfallende Ruinen
Ein bleicher Mondesstrahl versöhnend zittert.

Wie oft ist meine Seligkeit zersplittert
An blöden Herzen schnellbethörter Phrynen,
Bis mir mit deinen wunderbaren Mienen
Ein Himmel ward, den Zweifel nicht verbittert.

Ich liebe dich! Mit schmerzlicher Geberde
Erheb' ich segnend über dich die Hände,
Ich fühl's, wie bald ich dir entfliehen werde.

Erhörung fleht das Wort nicht, das ich sende,
Nur wissen sollst du, Herrlichste der Erde,
Daß du der Trost in einem Menschenende.

II.
Sie schreibt:
Umhüllt vom reichsten Glanz, wie bin ich elend!
Wie schmerzt mein Haupt, gedrückt vom Diademe!
Indeß ich gern der Hirtin Kränze nähme,
Des Dorfes stillen Frieden mir erwählend.

Zur Seite geht mir, meine Thränen zählend,
Ein Mann, für den ich kaum den Haß bezähme,
Indeß ich gern zu dir mit Schätzen käme,
Mein todtes Glück durch deine Lieb' beseelend.

Und dennoch, laß' uns muthig weiter leben!
Uns eint ein Schmerz, ob Alles sonst uns trennt.
Laß' von der Lieb' Bewußtsein uns umweben!

Wie weit der Stern auch von der Blume brennt,
Ist ihm der Strahl und ihr der Duft gegeben
Zum heimlichen Verkehr, den Gott nur kennt.

Collection: 
1894

More from Poet

  • An eine Frau

    Ein Jahrhundert wird vorübergeh'n,
    Unsre Gräber wird man nicht mehr sehn,
    Unsre Namen, was wir thun und wollen,
    Alles ist vergessen und verschollen.

    Menschen, deren Zorn wir feig gebebt,
    Da wir lieber...

  • Wie mögt ihr doch so froh im Sonnenstrahl,
    Vom West gewiegt, ihr grünen Myrthen sprießen,
    Und durftet einst ein theures Haupt umschließen,
    Dem euer Schmuck den Schmuck des Lebens stahl!

    Sie beugte sich gelassen, ohne Wahl,
    Doch...

  • Wir sprachen viel in trauter Abendstunde
    Von Schmerz und Liebe, Sterben und Bestehn,
    Wie muthig wir in jede Zukunft seh'n,
    Weil Gruß der Ewigkeit in unsrem Bunde.

    Da rang der heiße Wunsch sich mir vom Munde:
    O, könnt' mein...

  • Die Blumen schliefen, Sterne wurden wach,
    Und mahnend mir von langverlornem Frieden
    Des Abend's feierliche Ruhe sprach.

    Wir hatten gern den Schwarm der Welt gemieden
    Und schritten stumm und träum'risch durch den Wald.
    Ich...

  • Zu deinen Füßen saß ich still und träumend,
    Mein Aug' in deines Auges Glut getaucht,
    Dein ganzes Sein mit meinem Blick umsäumend.

    Der Sonne Liebesfackel war verraucht,
    Im Scheidekuß entbrannten Berg und Hügel,
    Von tiefster...