Ein Erinnern

Die Blumen schliefen, Sterne wurden wach,
Und mahnend mir von langverlornem Frieden
Des Abend's feierliche Ruhe sprach.

Wir hatten gern den Schwarm der Welt gemieden
Und schritten stumm und träum'risch durch den Wald.
Ich fühlte tief den Schmerz, daß wir geschieden:

Daß stets mein Geist mit finsterer Gewalt
Will nach des Tod's verhülltem Abgrund schäumen,
Indeß dir lockend noch das Leben schallt;

Daß meiner Seele nebelhaftes Träumen
An's Unerforschte sehnend fest sich schließt,
Indeß du wallst in lenzgeschmückten Räumen;

Daß selbst im Tod du künft'ges Leben siehst,
Indeß mir selbst in Frühling's Allbeglücken
Ein unerschöpfter Born der Trauer fließt.

Doch als die Wehmuth wollt mein Herz bedrücken,
Daß also unser Lebensweg sich trennt,
Da schlug dein frohgerüstet Wort mir Brücken

Zu deines Glückes lichtem Firmament
Aus meiner todten Nacht, wo Schmerzen sprühend
Die Fackel meines Geistes einsam brennt.

Und was du sprachst, von inn'rer Lust erglühend,
Und was in deinem zarten Geist erstand
An Bildern und Gedanken, rasch erblühend

Zu vollem Sein an deines Auges Brand,
War meiner Jugend ahnungsreicher Glaube,
War meines Glückes rosig Wonneland.

O flieg noch oft, du leicht beschwingte Taube,
Hinaus als Pil'grim nach des Lebens Glück,
Und bringe mir mit einem grünen Laube
Der Erde halbvergeß'ne Lust zurück!

Collection: 
1894

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