Die Schönheit

Die Schönheit dringt als Klang von gold'ner Leier,
Als Marmorbild und Farbenreiz zur Seele.
Doch was sie immer als Erscheinung wähle,
Den Baum in seiner Ruh - im Flug den Geyer -

Ob sie dem Stern, der Landschaft stiller Feier,
Dem Gliederbau des Leibes sich vermähle,
Welch' irdisch Formenspiel von ihr erzähle:
Ihr selbst entsank noch nie der letzte Schleier!

In Hüllen nur enthüllt sie sich den Sinnen,
Als Wirkung nur verräth sie sich dem Geist,
Nicht als Erkenntniß ist sie zu gewinnen.

Drum ist der Sehnsucht voll, wer Schönheit preist:
Sie lockt nach einem fernen Ziel von hinnen,
Das sie versagt, indem sie es verheißt.

Collection: 
1894

More from Poet

  • An eine Frau

    Ein Jahrhundert wird vorübergeh'n,
    Unsre Gräber wird man nicht mehr sehn,
    Unsre Namen, was wir thun und wollen,
    Alles ist vergessen und verschollen.

    Menschen, deren Zorn wir feig gebebt,
    Da wir lieber...

  • Wie mögt ihr doch so froh im Sonnenstrahl,
    Vom West gewiegt, ihr grünen Myrthen sprießen,
    Und durftet einst ein theures Haupt umschließen,
    Dem euer Schmuck den Schmuck des Lebens stahl!

    Sie beugte sich gelassen, ohne Wahl,
    Doch...

  • Wir sprachen viel in trauter Abendstunde
    Von Schmerz und Liebe, Sterben und Bestehn,
    Wie muthig wir in jede Zukunft seh'n,
    Weil Gruß der Ewigkeit in unsrem Bunde.

    Da rang der heiße Wunsch sich mir vom Munde:
    O, könnt' mein...

  • Die Blumen schliefen, Sterne wurden wach,
    Und mahnend mir von langverlornem Frieden
    Des Abend's feierliche Ruhe sprach.

    Wir hatten gern den Schwarm der Welt gemieden
    Und schritten stumm und träum'risch durch den Wald.
    Ich...

  • Zu deinen Füßen saß ich still und träumend,
    Mein Aug' in deines Auges Glut getaucht,
    Dein ganzes Sein mit meinem Blick umsäumend.

    Der Sonne Liebesfackel war verraucht,
    Im Scheidekuß entbrannten Berg und Hügel,
    Von tiefster...