Sei mir gegrüßt du stille Schreiberzelle

Sei mir gegrüßt du stille Schreiberzelle,
Bestaubtes Pult, vertrocknet Lämpchen du!
Es rausche fern von des Enttäuschten Schwelle
Der Strom der Welt den bunten Ufern zu.
Ich kehre gleich dem lebenslang Verbannten
Aus Glück und Hoffnung zu der ernsten Pflicht;
Ihr wißt so viel, ihr grauen Folianten,
Wißt ihr denn dieses auch: sie liebt mich nicht?

'S war wol nicht gut, daß ich zum andern Male
Von euch gegangen in das bunte Land,
Wo ich dereinst im lichten Kerzenstrale
Die tolle Freude wilder Jugend fand.
Diesmal in jenem Kreis nach flüchtigen Scherzen
Nur sucht' ich, die der nächste Tag zerbricht,
Und fand den Wahn, als könnten sich zwei Herzen
Auf ewig binden. Doch sie liebt mich nicht.

Nun sinn' ich träumend, seit wie langen Zeiten
Die schwarze Flut im Dintenfaß versiegt;
Mein Finger schreibt im Staub auf jener Seiten,
Die noch von damals aufgeschlagen liegt,
Schreibt - ihren Namen. Wie das Blatt ich wende,
Ein Spinnlein flieht das ungewohnte Licht;
Ich nehm' ein Buch, vom Anfang bis zum Ende
Les' ich das Eine nur: sie liebt mich nicht!

Laßt denn in stillen Nächten euch erzählen
Von dieser Irrfahrt, die ich jüngst gethan,
Von Fackeln, Geigen, Blumen und Juwelen,
Von raschen Blicken und von zähem Wahn!
Laßt euch erzählen von der Einzig einen,
Wie wunderschön sie war, wie klug und schlicht;
Und seid ihr Tröster, wie die Weisen meinen,
Schenkt euren Trost mir, denn sie liebt mich nicht!

Collection: 
1883

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