Wenn du verraten mich am Tage,
Und wenn du nimmer mein gedacht,
Was kommst du weinend dann, o sage,
Im Traume zu mir jede Nacht?
Was streichst du mit den kleinen Händen
Mir durch das Haar wie dazumal,
Als deiner Augen süßes Blenden
Mein Herz, mein Glück, mein Leben stahl?
Wenn's wahr, was deine Briefe stammeln,
Daß du mich lassen kannst und mußt,
Warum auf's Haupt mir Dornen sammeln,
Und Kohlen auf die wunde Brust?
Laß mich in meinem Gram versinken!
Laß mich in meinem Schmerz vergehn!
Laß ab an's Ufer mir zu winken,
Wo meiner Hoffnung Gräber stehn!
Und doch, wenn dieses Scheinbild's Flehen
Herüberschwebt in meinen Traum,
Dünkt mich's wie goldner Schleier Wehen
Und meine Sehnsucht zwing' ich kaum.
Dann hör' ich wie aus feuchten Kissen
Ein bitter weinend Nachtgebet
Von sehnsuchtsvollem Gram zerrissen
Nach meiner Ferne wandern geht;
Dann kommt das Licht der alten Zeiten
Und fließt um dich wie Glorienschein,
Wie Glockentöne klingt's von Weiten
Und in mein Herz zieht Frieden ein.
Wenn du verraten mich am Tage
Und wenn du nimmer mein gedacht,
Wie käm dein Denken dann, o sage,
Dein Sehnen zu mir jede Nacht?