Vermächtniß

Kein Puls ist ohne dich vergangen,
Seitdem ich dir begegnet bin,
Wer so den Strahl in's Herz empfangen,
Kann nicht mehr leben ohne ihn.

Und wenn sie alle dich verließen
Und käm' der Freunde keiner mehr,
Ein Netz von Liebe will ich schließen
Mein ganzes Leben um dich her.

Vor deine Seele will ich treten,
In deines Lebens Nacht und Licht
Und um dein theures Leben beten,
Ob du es wissest oder nicht.

Nur halte du in's Herz geschrieben,
Welch Herz sich dir zu eigen giebt,
Es kann unendlich glücklich lieben,
Unendlich arm sein ungeliebt.

aus: Neue Gedichte von J. G. Fischer
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung
1865

Collection: 
1883

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