Oben auf der Felsenzinne
Schimmernd steht das Ritterschloß,
Bub' und Knapp' im Burghof reiten
Wild und jubelnd hoch zu Roß.
Unten düster in der Tiefe
Liegt das Kloster, einsam stehn
Stille Mönchlein an den Fenstern
Und im Garten stumm sie gehn.
Mit dem Pfeil wohl mag man reichen
Von der Burg hinab in's Thal,
Und man hört vom Söller oben
Unten tönen den Choral:
Doch kein Winken geht hinüber,
Und kein Gruß, den man sich bot,
Denn dort oben jauchzt das Leben,
Und dort unten seufzt der Tod. -
Flog ein Vöglein aus dem Zweige,
Der am Burgthor leis' sich regt?
War's ein spielend Kätzlein draußen,
Das des Gatters Strang bewegt?
Leise knirscht das Felsgerölle,
Und es weicht das Land zurück,
Und ein Mönchlein schaut verstohlen
In den Hof mit späh'ndem Blick.
Wie sie jubeln, wie sie reiten,
Wie das Roß sich bäumt und stöhnt,
Wie die Speere sausend gehen,
Wie die Bogensehne tönt!
Und der stille Lauscher draußen
Seufzt und prüfet seinen Arm,
Und es rinnt ein heimlich Thränlein
In den Bart ihm nieder warm.
Und es wandern seine Blicke
Weiter an der Burg entlang,
An den Söllern, an den Erkern,
An den Zinnen sonnenblank.
An den hohen Bogenfenstern -
Da, was ist's, das ihn erfaßt?
Tastend und mit irren Händen
Sucht sein Kränzlein er in Hast.
Dort am Fenster, wo der Epheu
Rankend klimmt am Mau'rgestein
Und am Sims das Vöglein locket,
Steht des Ritters Töchterlein;
Hold und lieblich, wie die Jungfrau'n
Der Legende, heimlich schön,
Wie der Sünde stille Bilder,
Die zu Nacht durch's Kloster gehn.
Und das Kränzlein wandert, wandert
Kreisend durch des Mönches Hand,
Und sein Auge schaut zum Fenster
Heißen Blickes unverwandt.
Heißen, sehnsuchtswilden Blickes,
Und das Rosenkränzlein bricht,
Seine Perlen rollen nieder
Und der Beter merkt es nicht.
Horch! da schallt die Klosterglocke
Aus der Tiefe, und am Thor
Rauscht es wie von eil'gen Schritten,
Und das Mägdlein blickt empor.
Flog ein Vöglein aus dem Zweige,
Der sich an der Mauer regt.
War's ein spielend Kätzlein draußen,
Das des Gatters Strang bewegt?
Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864