Ich saß schon oftmals in der Stille nieder
Nachsinnend einem räthselhaften Lied,
Das leis' und heimlich, flüsternd immer wieder
In Lust und Weh durch meine Seele zieht.
Doch wie ich sann und träumte lange Stunden
Und wog das Wort im Geiste hin und her,
Ich konnt' den Sinn des Liedes nie erkunden
Und Ton und Weise traf ich nimmermehr.
Und oftmals hab' ich's in die Nacht getragen,
Und rief die Schläfer in der Wildniß wach,
Und ließ den Sturm die Flügel um mich schlagen,
Und sprach des Wetters wilde Worte nach.
Doch wie ein Glockenläuten immer wieder,
Das heimathher, erinnrungsmächtig zieht,
Auf Sturm und Wetter treibend immer wieder
Umschwebte mich das räthselhafte Lied.
Ist's eine Stimme zukunftferner Tage,
Ist es ein Wehrruf der Vergangenheit,
Ist's eines nah'nden Kummers leise Klage,
Ist es ein Jubellaut aus alter Zeit?
Ist es mein Glück, das, nie zum Licht geboren,
Vor meines Lebens Thür vergessen singt,
Ist es der Engel, den ich einst verloren,
Der rufend über meinen Weg sich schwingt?
Ich weiß es wohl, ich werd' es niemals finden
Dies dunkle Lied, halb Seufzer, halb Gebet,
Kein Wort erreicht's, kein Reim vermag's zu binden,
Und keinem Maß der Silben ist es stät.
Ein ewig Räthsel wird es mich umschweben,
Ein heimlich Glück, ein unverstandner Schmerz,
Bis Gott es reimen wird zu seinen Zeiten:
Es ist mein eignes dunkles Menschenherz.
Aus: Gedichte vom Freiherrn Carl von Fircks
Leipzig Julius Klinkhardt 1864