Worte und Thräne

Doch den Reden traut' ich nicht:
Täuschend sind gar oft die Worte,
Täuschen den sogar, der spricht.

Aber als in deinem Auge
Eine heiße Thräne stand,
Fühlt' ich bald, daß ihre Sprache
Meinen Zweifel überwand.

Aus dem Herzen kommt die Thräne,
Und sie täuscht die Herzen nicht;
Glänzt doch hell in ihr die Wahrheit,
Wie im Tau der Sonne Licht.

Aus: Edmund Dorer's Nachgelassene Schriften
Herausgegeben von Adolf Friedrich Graf von Schack
Erster Band Dichtungen - Übersetzungen
Verlag von L. Ehlermann Dresden 1893

Collection: 
1893

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