Die Sprache des Schweigens

So süß, wie oft aus dicht verschlung'nen Zweigen
Der Sterne Huld die gold'nen Strahlen streute,
Und irrem Wandrer Heil und Tröstung beute,
Erschienst du mir, des Glückes Pfad zu zeigen.

Ich mußte freudig deinem Glanz mich neigen,
Weil sich mein Blick in deinem Licht erneute;
Doch schwieg der Mund, wie sehr das Herz sich freute;
Verwundert sah ich dich und mußte schweigen.

Und wenn ich jetzt, begeistert von der Minne,
Auf Bild und Worte dich zu schildern sinne,
Daß mein Gedanke neu dich stets gewinne,

Kann jede Silbe nur, warum ich schwieg, beweisen,
Wie könnten Worte, Bild und Liederweisen
Dich inniger, als jenes Schweigen preisen?

Aus: Sonette von Edmund Dorer
Dresden 1858 Druck von B. G. Teubner

Collection: 
1893

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