Nähe und Ferne

Mit deiner Anmuth, deiner holden Nähe,
Scheint's mir, als ob ein leichter Hauch verwehe
Des Liedes Leben, das von dir berichtet.

Von deiner Schönheit wird mein Lied gerichtet,
Und keine Kunst verhindert, wie ich sehe,
Daß ihm es besser, als dem Monde gehe,
Den stets der Sonne nahender Strahl vernichtet.

Doch wie der Mond, dem ich das Lied verglich,
In Klarheit leuchtet, wenn in Westens Dunkeln
Die Tageskönigin in Schlummer ruht,

So scheint's mir, hält die finst're Ferne mich
Von dir getrennt, das blasse Lied zu funkeln,
Es glänzt in ihm ein Strahl von deiner Gluth.

Aus: Sonette von Edmund Dorer
Dresden 1858 Druck von B. G. Teubner

Collection: 
1893

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