Leb' wohl! Zeit ist's zu gehen für uns beide!"
So sprichst du leise, deine Hände winken
Und deine Augen, daß ich jählings scheide.
Ich aber stehe still am Kreuz der Wege
Und glaub' es nicht, daß mich dein Wort verstieß,
Bis ich die Hand in diese Male lege,
Die mir dein goldner Ring im Finger ließ.
Ja, nimm auch den. Ich darf sie nicht mehr tragen,
Und mag die Schlange nicht bei mir bewahren;
Verbrenne sie, laß sie zu Staub zerschlagen,
Die stolze Ewigkeit von zweien Jahren.
Nimm hin, und daß dein Nehmen nie dich reue,
Wie - ach so früh! - dein Geben dich gereut!
Mit ihm verlobt' ich einst mich deiner Treue,
Mit ihm verlob' ich dich der Freiheit heut'!
O wähne nicht, daß ich im Zorne schiede,
Weil Thränen diese Blätter überschwemmen;
In meiner Brust ist Friede, tiefer Friede,
Wenn Seufzer auch die wogende beklemmen.
Ich ahnt' es längst, ich hätte lernen sollen,
Wie sich's im Leben einsam geht und ruht;
Du hast's gewollt, du kannst nur Gutes wollen,
Du hast's gekonnt, und doppelt heiß ich's gut.
Daß ich dich täuschte, nein, du wirst's nicht sagen,
Nur das nicht, sage sonst, was dir gefalle!
Kehr' in dich, wag' dein Innerstes zu fragen,
Mein ist die Schuld, doch ist sie es nicht alle!
Ein Wurm hat immer in dem Baum gesessen,
Der geifernd durch der Blüthen Fülle kroch;
Nun hat der Wurm des Baumes Mark zerfressen,
Und dieser fällt; was wundern wir uns noch?
Du liebtest mich. Verkannt hab' ich es nimmer;
Du liebst mich noch und willst es nur verschweigen.
Ich liebte dich, ich liebe dich noch immer,
Ich will dir scheidend diese Liebe zeigen.
Denn brechen soll, nicht allgemach vermodern,
Das Band, für eine Ewigkeit geschürzt,
Und himmelhoch der Scheiterhaufen lodern,
Der über unsrem Bund zusammenstürzt.
Du hast ein Recht, dich von mir loszumachen,
Nicht weil ich dich, weil ich mich selbst betrogen.
Man wirft sein Glück nicht gern in einen Rachen,
Der ziel- und haltlos treibt auf weiten Wogen:
So treib' auch ich und seh's mit offnen Augen
Und schließe sie, um weiter nichts zu seh'n.
O schilt mich nicht! Die nicht zu Lootsen taugen,
Sie sollten freilich nicht am Steuer steh'n!
Wir scheiden, nicht mit Fluch, und nicht mit Segen,
Nein! stumm und starr, auf Nimmerwiedersehen.
Mich lasse einsam zieh'n auf dunklen Wegen,
Du bleib' im Dunkel einsam drüben stehen.
Für dich kein Glück! Du wirst nie wieder lieben,
Und könntest du, hast du nie mich geliebt.
Für mich kein Glück! Weil dem, den du vertrieben,
Die Erde fürder keine Heimath giebt.
Ach, daß es so, nicht anders enden müßte,
Wer hätte das gedacht in jener Stunde,
Da ich zum erstenmal als Braut dich küßte
Und deine Mutter weinend stand im Bunde?
Doch ja, sie sind ja damals schon gekommen
Und haben warnend dir in's Ohr geraunt:
Bei Dichterliebe ist kein rechtes Frommen,
Weil Dichter flüchtig sind und schlimm gelaunt.
Beschuldigt mich, nur meine Muse nimmer;
Sie that dir nichts, ich schwör's bei jenen Sternen!
Mit dir verschwistert wandelte sie immer,
Ihr zwei gleich theuer mir im Nah'n und Fernen.
Deß kann nur Aberwitz den Dichter zeihen,
Er kenne nicht getreuer Liebe Glück;
Sein heißes Herz vermag er ganz zu weihen,
Doch unverstanden, nimmt er's stolz zurück.
Ich klage nicht um das, was du genommen,
Und will, was du zerstörst, nicht neu begründen;
Der Vesta Feuer, wenn es ausgeglommen,
Vermag ein Blitz nur wieder zu entzünden.
Ich weine nicht um die verlor'nen Jahre,
Nicht um die Jugend, die du mir geraubt,
Nur darum wein' ich, daß du, ewig Wahre,
Zum erstenmal dir selbst nicht mehr geglaubt!
Doch was du thust, und thätest du's mit Schmerzen,
Vollbringst du nur in einer höh'ren Sendung.
Die Hand, die mich verstieß von deinem Herzen,
Gab mir, dem Dichter, des Berufs Vollendung,
Sie löste ihn von seinen letzten Banden,
Sie nahm ihm Heimath, Ziel und Vaterhaus;
Hab', Schicksal, Dank! Du wurdest recht verstanden:
Nur frei und einsam reift der Dichter aus!
Und nun, die Arme dorthin ausgebreitet,
Wo du mir und die Sonne weggegangen,
Geh' ich allein, vom Grau'n der Nacht begleitet,
Die letzte Thräne auf den bleichen Wangen.
Fahr' wohl, fahr' wohl! Ich scheide ohne Grollen,
Für mich reicht meine Muse dir die Hand,
Und tröstlich wölbt sie zwischen thränenvollen
Entfernungen ihr siebenfarbig' Band.
Aus: Franz Dingelstedt's Sämmtliche Werke
Erste Gesammt-Ausgabe in 12 Bänden
Siebenter Band Zweite Abteilung
(Lyrische Dichtungen Erster Band)
Berlin Verlag von Gebrüder Paetel 1877