Nun, da dein Auge von uns scheidet,
Zieht auch der Frühling außer Land;
Für dich hat es sich grün gekleidet,
Jetzt wieder in sein Schneegewand.
Was soll ein West, der dich nicht fächelt,
Das Veilchen, das dein Fuß nicht tritt?
Nur dir hat früher Lenz gelächelt,
Du gehst, und er geht treulich mit.
Ich seh' euch rasch von dannen jagen,
Gefolgt von eurem lust'gen Chor:
Zephire schwärmen um den Wagen,
Die Schmetterlinge reiten vor;
Du selbst entschwebst auf goldner Wolke,
Nach Süden ziehst du eilig hin,
Und winkst dem muntern Elfenvolke
Den Abschied zu als Königin.
O weich' nicht ganz von dieser Erde,
Die niemals deine Heimath war;
Verwandle deine braven Pferde
Nicht plötzlich in ein Drachenpaar!
Nimm allen Lenz sammt Lust und Liebe
Mit dir, wenn du ihn hier vertreibst:
Hier frommt es nichts, auch wenn er bliebe,
Hier bleibt er nicht, weil du nicht bleibst!
So dich und ihn zumal vermissen,
Das ist, fürwahr, ein harter Tag!
Da steh' ich traurig, schmerzzerrissen,
Und starre eurem Zuge nach:
Ein Blick, ein Gruß! Jetzt muß er schwinden,
Dort, bei dem dürren Pappelbaum!
Ade; dies welke Blatt den Winden!
Ade, geliebter Frühlingstraum!
Aus: Franz Dingelstedt's Sämmtliche Werke
Erste Gesammt-Ausgabe in 12 Bänden
Siebenter Band Zweite Abteilung
(Lyrische Dichtungen Erster Band)
Berlin Verlag von Gebrüder Paetel 1877