1.
Soll meine liebe nichts als herben schmerz gebähren?
Soll meiner hoffnung-feld nur voller dornen stehn?
Heist mich der himmel stets auff steilen felsen gehn?
Und will mir keine ruh gewehren?
Ach ungerechter schluß!
Wie reimt sich dieses wohl zusammen?
Du zwingst mich / daß ich lieben muß /
Und wilst doch meine glut verdammen.
2.
Bey vollen schüsseln seyn / und nichts daraus geniessen /
Macht daß der hunger nur in unsrem leibe wächst;
So auch ein liebender nur desto stärcker lechst /
Wenn er muß dieses nahe wissen /
Und offt vor augen sehn /
Was keine geister hat gefangen;
Nicht aber darff um hülffe flehn /
Noch zeigen seiner brust verlangen.
3.
Ich kan Brisinden zwar wohl offte schaun und sprechen /
Doch nur als einen baum / der mir verbothen ist;
Ich darff von seiner frucht / wornach mich stets gelüst /
Nichts unterstehen abzubrechen;
Sonst würde mich ihr grimm /
Aus diesem paradiese jagen /
Und die vor angenehme stimm /
Mit tausend donnerworten schlagen.
4.
Indessen mehret sich mein schmerz mit dem verlangen /
Und meine marter nimmt mit den begierden zu;
Ich dencke stets an sie und stöhre meine ruh;
Wenn ich die purpur gleiche wangen /
Wenn ich den rosen-mund /
Und ihre liljen-brust erwege /
So wird mein herz auffs neu verwundt.
5.
Was kan sich meiner pein in aller welt vergleichen?
Wird ein verbrecher schon auff foltern ausgespannt /
Ein andrer aber gar zu asch‘ und staub verbrannt /
Muß doch ihr schmerz dem meinen weichen;
Sie leiden kurze zeit /
Hingegen meine brust empfindet /
Wie ihrer flammen hefftigkeit
Sich immer mehr und mehr entzündet.
6.
Ach so erbarme dich! O Himmel und Brisinde!
Von eurem willen kommt der ursprung meiner pein /
Durch ihn kan alle Noth auch leicht gehoben seyn;
Wenn ich bey euch genade finde;
Und zwar wo schönste du
Nur meine klage wilst erhören /
So wird der himmel meine ruh /
Weil er dich ehrt / auch nimmer stören.
(Theil 4 S. 169-170)