Auff ihre allzugrosse Fettigkeit

Hilff himmel! welch ein bild! soll das Lisette seyn?
Ist das ihr netter leib / ihr zartes angesichte?
Wie? oder äffet mich vielleicht der augenschein /
Indem ich nur auff sie stets die gedancken richte;
Ach nein! du bist es nur; ich kenne deinen strahl /
Ob du mir von gestalt gleich fast unkenntlich worden /
Dem auge bleibt die krafft auch in der grösten qvahl /
Womit den schönen leib das glücke sucht zu morden.
Wo ist die Majestät? wo die annehmligkeit?
Mit der dein antlitz vor wie eine Göttin prahlte;
Wo ist der wundermund? dem ich vor wenig zeit
Noch die verliebte schuld in einem traume zahlte.
Wo ist der dünne halß? wo ist das kleine kinn?
Wo ist der schlancke Fuß? wo sind die kleinen hände?
Wo der geschickte leib? ach schmerz' ist alles hin?
Ach findet deine pracht ein so geschwindes ende?
Zwar deine brust behält noch ihren heissen Schnee /
Die lilien / der halß / die rosen deiner wangen /
Und was mir lindern kan das übergrosse weh /
Der ungemeine geist ist noch nicht untergangen /
Nur was dich vor beliebt und angenehm gemacht /
Der glieder artigkeit ist ganz und gar verschwunden /
Wie sich dem tage gleicht die ungeheure nacht;
So hab ich Lisilis ihr selber ähnlich funden.
Ein frembder überfluß von vieler fettigkeit /
Vernichtet alle zier / verstellt dein ganzes wesen /
Das vormals kleine haupt ist allzu dick und breit /
Ja wo uns die natur ließ ihre künste lesen /
Da lässet sie uns ietzt auch ihre fehler sehn.
Ach schmerz! was hat an dir dein meister-stück verbrochen?
Daß ihm ein solcher fall zur straffe muß geschehn?
O himmel! dieses heist mehr als zu scharff gerochen!
Doch nein/ ich glaube nicht daß es von dir entspringt /
Es kan dein Ubel wohl aus andern quelle fliessen /
Wer zweifelt? daß die welt verfluchte schlangen bringt /
Die ihr verteuffelt gifft auff alle stellen giessen;
Vielleichte trat dein Fuß auff einen solchen ort!
Vielleichte hat dich wo ein drachen-hauch vergifftet /
Und basilisken blick; vielleichte hat ein wort /
Durch seine zauberkrafft dein unglück angestifftet.
So war / verdammter neid / dir so ein leichtes ding /
Lisettens grossen geist mit tausend lügen plagen?
Du must auch ihren leib der voller rosen hieng /
Mit greulicher geschwulst durch teuffels mittel schlagen.
O himmel! schaustu diß und kanst geduldig seyn?
Wilstu nicht ohn verzug den frechen frevel dämpffen?
Und schlägt dein eyfer nicht mit blitz und donner drein?
Auff! auff! du selber must vor deine kinder kämpffen!
Brich loß / zertritt den kopff / der uns so tieff verletzt;
Es müsse tausend weh auff dessen scheitel kommen /
Und tausend plagen sey demselben zugesetzt /
Der sich mein engel dir zu fluchen unternommen.
Nun wohl! es wird geschehn / getrost mein werthes kind!
Dein auge sieht betrübt / ich muß mit dir mich grämen;
Allein getrost! gleichwie man offtmals wieder findt /
Was uns der himmel ließ durch frembde tücke nehmen;
So glaube / daß auch du die ietzt verlohren pracht
Der glieder artigkeit bald wieder kanst erlangen;
Und wie ein Phoenix / den die flamme neu gemacht /
Weit schöner als zuvor mit neuer zierde prangen.
Doch gläube dieses mir / mein engel auch dabey /
Solt uns der himmel gleich nach wuntsche nicht erhören /
Sa daß dein erster schmuck nicht mehr zu hoffen sey /
Werd' ich doch deinen geist biß in den tod verehren.
(Theil 4 S. 53-55)

Collection: 
1709

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Indem ich nur auff sie stets die gedancken richte;
Ach nein! du bist es nur; ich kenne...

Geh hin beglücktes blat / geh küsse diese hände /
Die mich mein unfall itzt nicht selber küssen läst /
Geh / sprich / daß Saladin dich an Lisetten sende /
Der treue Saladin / der seinen lebens-rest
In einer frembden lufft mit seuffzen soll...

Wie lange muß dein knecht doch etwas von dir bitten /
Worinnen man dich nicht genung bewundern kan;
Ein stümper darff sich nur vor frembden ohren hütten;
Du aber greiffst den ruhm der besten meister an /
Und kanst dich über sie mit gutem...

Was seh ich? ist es wahr? darff ich den sinnen trauen?
Wie? oder seh ichs nicht / was doch die augen schauen?
Ach! ja / sie ist es selbst / ihr gang / statur und kleid /
Trifft mit Lisettens ein / hier ist kein unterscheid.
So bin ich...

Als ich nechst deine pracht / mein engel / wohl erwog /
Und mir den fürhang recht von beyden augen zog /
Da fand ich daß mit dir auff erden nichts zu gleichen;
Denn / wer vollkommen ist / vor dem muß alles weichen.
Hierauff sah ich den glanz...