Er vergleicht sie mit der sonne

Als ich nechst deine pracht / mein engel / wohl erwog /
Und mir den fürhang recht von beyden augen zog /
Da fand ich daß mit dir auff erden nichts zu gleichen;
Denn / wer vollkommen ist / vor dem muß alles weichen.
Hierauff sah ich den glanz des hohen himmels an /
Und sprach: Hier ist / womit man dich vergleichen kan /
Das schöne sonnen-licht wird sich in allen stücken /
Zu deiner schönheit wol am allerbesten schicken:
Wilstu die probe sehn? Sie stimmet völlig ein /
Was gleiche gaben hat / das muß ja gleiche seyn.
Dem glanz der sonnen weicht der andern sternen schimmer;
So auch hat deine pracht vor allem frauen-zimmer /
Womit Elysien / womit Budorgis prangt /
(Ob sie gleich alle hübsch) den höchsten ruhm erlangt.
Die sonn' erleuchtet uns das ganze rund der erden;
Du aber unsre stadt und wilst zur Sonne werden /
Drum brauchen wir hinfort der andern lichter nicht /
Weil uns / wenn du noch blühst / kein sonnenschein gebricht.
Die sonne kan ihr licht viel andern sternen geben /
Und bleibet doch wie vor; Lisettens pracht kan eben
Noch hundert andern gnug zu ihrem schmucke seyn /
Sie bleibet doch wie vor vollkommen ungemein.
Die sonne scheint so wol den bösen als den frommen;
Du lässest deinen blick auch auff dieselben kommen /
Die dieser gnade doch mit nichten würdig sind /
Und / wie in jener strahl die erd' erquickung findt /
So kan dein anblick auch die grösten schmerzen stillen!
Und eine trübe brust mit frohem trost erfüllen /
Denn wie der nebel nicht bey sonnen-strahlen bleibt /
So auch dein auge leicht die traurigkeit vertreibt.
Die sonne scheinet stets / ihr glanz wird nicht vermindert /
Ob eine wolcke gleich uns sie zu schauen hindert;
Du bleibest wie du bist / und deine tugend strahlt /
Obgleich vor sie der neid viel fleck- und decken mahlt.
Man kan die sonne nicht mit blossen augen schauen /
Ihr licht verblendet uns: so / welche sich getrauen /
Dein blitzend angesicht genauer anzusehn /
Um deren augen ist es ebenfals geschehn;
Ja nicht die augen / nur das herze selber fühlet /
Wenn deine sonne recht mit ihren plitzen spielet /
Da man doch jener macht nur auff der haut erkennt /
Lisettens auge gar biß in das herze brennt.
Die sonne ruhet nicht / sie lauffet ohn verweilen;
Dich heisset auch der fleiß in allen dingen eilen /
Es kan die schöne hand nicht lange müßig stehn /
Noch der galante fuß umsonst spazieren gehn.
Der sonnen cörper ist mit bergen angefüllet:
Zwey berge zieren dich / woraus mein glücke quillet /
An weisse gleichen sie dem schnee und helffenbein /
Und können wohl mit recht ein thron der liebe seyn.
Die sonn' ist zwar sehr hell / doch hat sie tausend flecken;
Dein zarter leib kan uns verwunderung erwecken /
Kein tadel ist an ihm / kein fehler ist zu schaun /
Die liljen gleiche haut ist nirgend schwarz noch braun /
Es sey dann / daß du nichts der sonnen nachzugeben /
Ein schwarzes pflästrichen wilst auff die wangen kleben /
Und dieses solte dir mit nichten garstig stehn /
Du wirst vielmehr dadurch wohl noch einmahl so schön.
Die sonne kan nicht stets uns ihre flammen zeigen /
Sie muß zur unterwelt noch alle tage steigen;
Dein glanz erfreuet uns so wohl bey tag als nacht /
Schlafft gleich dein augenpaar / schläfft doch nicht deine pracht.
Dies macht es / daß man dich kan eine göttin nennen /
Dann / will das tolle volck der sonnen weyrauch brennen /
Und heist sie einen Gott; so schmücket man ein hauß /
Mit besserm rechte / dir / als einer göttin / aus.
Wer zweiffelt nun hinfort / daß du der sonne gleichest?
Der neid weiß selber nichts / worinnen du ihr weichest:
Ach! ungemeines kind ich bin mit dir vergnügt /
Weil alle liebligkeit in dir vergraben liegt.
Nur dieses ist mir leid / daß du in einem stücke
Der sonnen gleiche bist / dies ist mein ungelücke!
Der sonnen klares licht verliehrt offt seinen schein;
So auch wird deine pracht dereinsten nichts mehr seyn /
Indem der tod dich wird ins finstre grab verstecken /
Und deinen zarten leib mit seinem kittel decken.
Erweg ich dieses recht / so wüntscht mein treuer sinn:
Ach himmel nimm mich ja vor diesem falle hin!
(Theil 4 S. 45-47)

Collection: 
1709

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