1.
Ihr augen weinet blut /
Und schmelzet endlich gar in thränen;
Es fodert dieser tag dergleichen rothe Fluth /
Denn heute soll ich mich gewähnen
Lisettens pracht nicht mehr zu sehn /
Das heisset ich soll mich bereiten /
Mit einer ewigen verzweifflungs-nacht zu streiten /
Weil um mein lebens-licht es ohne sie geschehn.
2.
Ach ungeheures Wort!
Das mir biß in die seele dringet /
Und aus der werthen stadt / dem angenehmsten orth /
In frembde lufft zu ziehen zwinget /
Ach glücke! du bist mir zu schwer!
Ich wolte mich hier leichtlich fassen /
Wenn ich Lisetten nur nicht dürfft‘ alleine lassen /
Und ihrer liebe recht versichert worden wär.
3.
Doch was versichert wär!
Sie weiß ja nichts von meinem lieben /
Noch daß von ihrer hand mein leiden stammet her;
Ich wolte mich nur halb betrüben /
Wann ich die heisse noth /
Ihr nur vor augen dürffte legen;
Allein daß auch mein herz bey hunderttausend schlägen /
Muß unempfindlich seyn ist ärger als der tod.
4.
Nun alles mit gedult!
Man soll aus meiner treu erkennen /
Wie ihr geschlecht‘ und sie die männer ohne schuld
Pflegt unbeständige zu nennen;
Das glücke will mich zwar
Von mir dem leibe nach itzt treiben /
Doch meine seele soll nach mir zurücke bleiben
Ob gleich die treue glut ihr noch nicht offerbahr.
5.
Ich will ohn hoffnung seyn /
Ich will ohn allen trost mich qvälen;
Schenck himmel ihr nur stets von deinen freuden-wein /
Und laß sie frohe stunden zehlen!
Vielleichte wird die zeit
Was ich um sie gelitten zeigen /
Und ihre felsen-brust zu der erbarmung neigen /
Dann bin ich wohl belohnt vor meine traurigkeit.
6.
In dieser zuversicht
Will ich den letzten abschied nehmen;
Lisette sey vergnügt: denn klagestu nur nicht /
So werd ich mich mit freuden grämen.
Mein lieben aber sey
Dem treuen himmel übergehen /
Er lasse keinen feind Lisettens huld erheben /
So reist mein kummer-joch vielleichte bald entzwey.
(Theil 4 S. 177-179)