Als sie sich einen mann zu seyn wüntschte

Wer gibt dir / schönstes kind / doch die gedancken ein?
Wer bringet deinen sinn auff die verkehrte grillen?
Du wilt nicht was du bist / ein frauenzimmer seyn /
Und wüntscht dich einen mann: was muß dein geist umhüllen /
Daß er den vorzug nicht der frauen mercken kan?
Ihr seyd das schöne volck / dem alles lob gebühret;
Die männer schauen euch mit solchen augen an /
Woraus man liebe / furcht und ehrerbietung spüret.
Ihr herrschet in der welt / und wir gehorchen euch;
Wir fürchten euren zorn vielmehr als tod und sterben;
Ihr habet über uns ein allgemeines reich /
Dergleichen Ludewig wird nimmer mehr erwerben.
Ihr habet unser glück in eurer schönen hand;
Ihr seyd den sternen gleich / die uns den einfluß geben;
Und wie der schwefel wird von feuer abgebrannt /
So haben wir von euch auch allesammt das leben.
Wir sind dem schatten gleich / den ihr / als leiber macht;
Wie jener ohne den nicht ist / noch kan entstehen /
So wird auch unser wohl von euch hervorgebracht /
Und muß / so bald ihr wolt / auch wieder untergehen.
Ihr seyd ohn alle qvahl und lebt in steter ruh;
Wir aber müssen offt mit tausend fällen streiten;
Ihr schlüsset / wann ihr wolt / die müden augen zu /
Wir müssen auch bey nacht offt gehen / fahren / reiten:
Und alles nur vor euch. Wir heissen zwar das haupt /
Doch nur wann ihr uns wolt mit federpüschen krönen;
Ihr habet alle mahl uns längsten weggeraubt /
Damit ihr destomehr die männer könnet höhnen.
Was fehlet euch denn wol: seyd ihr noch nicht vergnügt?
Du kanst / mein engel / ja den Göttern gleiche leben;
Behalte deinen stand / weil es der himmel fügt /
So kanstu deinen knecht auch in den himmel heben.
(Theil 4 S. 82-83)

Collection: 
1709

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