Aus: Oden und Epoden
Buch 1
Sein Ergötzen sei, ihr Lob zu singen
Wem einmal nur, o Königin,
Huld dein Zephir gehaucht: nimmer mit anderm Weh'n
Auf der Flut des kastalischen
Quells zu fahren verlangt Jener, wo heilige
Lust er trink' in die Ader, und
Heimgekehret ein Lied spiel', ein begeistertes.
Nimmer, wann aus den Saiten er
Silberklänge mit helltönendem Finger lockt,
Singt er Reize der Lalage,
Und den schneeigen Hals einer Licymnia,
Oder Glycera's schwarzes Haar:
Deine Gaben, o Jungfrau, nur bewundern stets
Wird der goldenen Laute Spiel.
Jezt den Glanz um das Haupt, heller als Sonnenglut,
Und den zagenden Schein des Monds,
Der die Sohlen dir küßt, preiset, des sternigen
Gürtels flammende Rosen er.
Jezt, - nachdem sich der jungfräuliche, reine Schooß
Vom Erlöser der Welt entband, -
Mutter-Namen und Lust, nimmer gewohnte; der
Freude Thränen, der Küsse Glut,
Und das Lächeln des Kindes; dann das erhab'ne Lied,
Und die Wonne der Himmlischen.
Nun des Knaben Gestalt: siehe, der blinkenden
Augen perlendes Sternen-Paar;
Im Gelocke den hold schimmernden Abendglanz;
Wangen, purpurner Aepfel Bild;
Und die indischen Duft träufelnden Fingerchen.
Oder, was dann der spät're Tag
Des im menschlichen Fleisch wandelnden Gottes schuf,
Wird Dein Sänger mit teischer
Laute künden, auf jungfräulicher Insel fern.
Also komm o gewogen Du,
Und entziehe dich nicht, Selige, Deinem Ruhm,
Wenn Du diesen verweigerst mir,
Bei nicht zähle mich dann lyrischen Sängern ich.