Ein Röschen stand am Weg, versteckt
In dichter Dornen Hut;
Das hatte Manchen schon geneckt,
Wenn er die Hand nach ihm gestreckt,
Gestochen bis auf's Blut.
Ein Schäfer kam und trat heran,
Der sprach: "Komm, werde mein!"
Doch Röschen stach den armen Mann,
Daß roth sein Blut herniederrann,
Und sagte trotzig: "Nein!"
Da kam mit Sang und Saitenspiel
Ein fröhlicher Gesell;
Wie griff der nach des Röschens Stiel!
Doch Röschen stach und lachte viel,
Daß Jener stob so schnell.
Und Mancher schaut auf seiner Bahn
Entzückt des Röschens Pracht,
Und Allen, Allen die es sahn,
Hat es das Röschen angethan,
Und spottend nachgelacht.
Zuletzt erschien in gold'ner Wehr
Ein Ritter, hochgeschmückt.
Das Röschen, dem gefiel er sehr:
Nun, denkt es, hab' ich Ruhm und Ehr',
Werd' ich von ihm gepflückt.
Da streckt es aus den Dornen sich
So weit es kann hervor,
Und schaut so süß, so minniglich,
Als spräch' es: "Lieber, hebe mich
Doch gleich zu Dir empor!"
Er sprengt heran; das Röschen glüht
In heißer Minnelust;
Doch, wie es sich zu strahlen müht -
Die wunderschönste Rose blüht
Schon an des Ritters Brust.
Das Röschen schaut ihm lange nach
Mit tiefbetrübtem Sinn,
Und ob es auch nicht wieder stach,
So kam doch Keiner, der es brach,
Und einsam welkt' es hin.
Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848