Ich kenn' ein wildes Röschen,
Das blüht so rot im Dornenstrauch,
Das lockt so lieb mit süßem Hauch,
Das sucht mit scharfen Spitzen
Oft mir die Hand zu ritzen -
Das Blut ist kaum zu stillen:
Doch um der Rose willen
Lieb' ich die Dornen auch.
Und hat sie mich gestochen,
Dann blickt sie mich so freundlich an,
Als hätt' sie mir nicht weh gethan;
Und schaut' ich noch so wilde -
Sie duftet lieblich milde.
Zuletzt, was will ich machen?
Ich muß von Herzen lachen
Und bleib' ihr zugethan.
aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887