1.
Was hilfft mir mein verliebter sinn /
Weil ihre gottheit ihn verschmähet?
Ihr leichten winde nehmt ihn hin /
Biß ihr sein eitles thun verwehet:
Sein urtheil ist ihm schon gesprochen /
Die stäbe sind entzwey gebrochen.
2.
Die ganze erd' ist mir zu klein /
Der himmel ists / der mich nicht kennet;
Wie kan ich bey mir selber seyn /
Weil mir umsonst die hoffnung brennet?
Ich ruffe / erde / himmel / hoffen!
Und keines hat die ohren offen.
3.
Was hab ich armer doch gemacht /
O tugend-göttin aller schönen!
Daß sie mich niemahls würdig acht
Mit ihrer gottheit zu versöhnen?
Soll ich denn keine ruhe finden
Vor nie begangne liebes-sünden?
4.
Längst hab ich ein altar gesetzt /
Ein denckmahl harter buß zu stifften /
In welchen Amors hand geetzt
Mit diamant und güldnen schrifften:
Der schönsten göttin von der erden
Soll dieser einzig heilig werden.
5.
Darauff wenn sich der morgen röth /
Laß ich mein herz als weyrauch glühen /
Und wenn mir Phöbus untergeht /
Vergeß ich nicht davor zu knien.
Es hat mich nie der schlaff bezwungen /
Biß ich ihr göttlich thun besungen.
6.
Dann leg ich mich zur sanfften ruh /
Zu meiner mutter neuer schmerzen:
Ich schliesse zwar die augen zu /
Und wache dennoch stets im herzen;
Im schatten bringts die nacht getragen /
Was mir der tag pflegt zu versagen.
7.
Dann tret ich endlich zu ihr hin /
Wir singen / spielen / tanzen / lachen /
Sie hasset gar nicht meinen sinn /
Sie pflegt es so / wie ich / zu machen /
Wir wechseln mund und händ zusammen
Und doppeln unsre liebes-flammen.
8.
Ach aber der ich schatten lieb
Und träumend nur auf rosen gehe /
Ich fange wasser durch ein sieb!
Denn dis / was ich erwachet sehe /
Ist leichtes stroh und feder-küssen /
Die blumen sind hinweg gerissen.
9.
Hinweg! verlognes schatten-werk /
Du irrwisch der betrübten herzen /
Du starcke glut / doch sonder stärck /
Du falscher zunder meiner schmerzen /
Soll ihre gnad im traum nur scheinen /
So muß ich wachend drüber weinen.
(Theil 2 S. 344-346)