Die steinerne schönheit

 
1.
Glänzende strahlen der blitzenden Jugend!
Muster der erden und wunder der welt!
Streue das leuchtende feuer der tugend
Uber dein funckelndes rosen-gezelt /
Tödte dein herze von ertzte von stein /
Wiltu nicht ganz unempfindlich mir seyn.

2.
Läugnestu schöne / nach deinem behagen /
Daß du von steine zusammen gesetzt /
Wälder und felder die werden dir’s sagen /
Wie du mich grausame stündlich verletzt:
Daphnis / Narcissus / die hirten und Pan
Klagen die steinerne härtigkeit an.

3.
Glaube nicht / schönste / daß ich dich wil loben /
Gleichstu gleich Paphos und Iliums pracht;
Wird in den tempeln zu götzen erhoben /
Was aus den schweresten steinen gemacht;
Sind doch die glieder ganz steinern an dir.

4.
Jupiter machte die güldenen haare /
Aber von chrysolith und von magnet:
Dieses ist / schöne die kostbahre waare /
Welche dir nunmehr am besten ansteht;
Chrysopras / Agtstein und gelber Syphir /
Sagen die haare seyn steinern an dir.

5.
Glänzend ist an dir die stirne zu schauen /
Frölich und munter und ohne verdacht /
Aber wer darff dem gesichte vertrauen /
Weil es aus härtestem marmor gemacht;
Kanstu nicht lieben / O süsseste zier!
Glaub‘ es die stirne ist steinern an dir.

6.
Schönste / wie sind doch so niedlich die brüste /
Weiß als albaster mit Türckis durchsetzt /
An dem milchlieblichen liebes-gerüste
Stehen rubinen zufördest gesetzt;
Birgest du aber die berge vor mir /
Ruff‘ ich die brüste sind steinern an dir.

7.
Warum sieht aber dein angesicht dunckel?
Hatt dir die liebe was liebes verletzt?
Hastu nicht augen? Ja zwene Carfunckel /
Wurden für augen ins antlitz gesetzt;
Streustu nicht goldnene strahlen zu mir /
Glaub es die augen sind steinern an dir.

8.
Artlich durchflinckern die rosen die wangen /
Wenn sie durch lachen geziereter seyn /
Aber wenn ich sie will küssend umbfangen /
Sind sie nicht anders alß sardischer stein;
Wiltus noch leugnen mein Engel / vor mir?
Glaub es / die wangen sind steinern an dir.

9.
Zwar in dem purpurnen blute der schnecken /
Sind die verzuckerten lippen genetzt /
Aber es müssen Corallen sie decken /
Weil man sich immer an ihnen verletzt;
Hälstu mir ferner dies muschelwerck für /
Glaub ich die lippen sind steinern an dir.

10.
Summa / die nägel / die finger / die glieder /
Welche bey andern vor göttlich geacht /
Aermchen und beinchen / des angesichts lieder /
Sind von der mutter der perlen gemacht.
Zeigstu nicht / Seelgen / die perlene zier /
Alle die glieder sind steinern an dir.

11.
Andere sagen von demantenen herzen /
Andere setzen noch kiesel dazu /
Ich kan in wahrheit / O herze! nicht scherzen /
Herze / der Donnerstein selber bistu;
Zitterst-und lauffestu Engel vor mir /
Glaub es das herz ist steinern an dir.

12.
Würd‘ es so leichte mit blutte gezwungen /
Wie sich sonst zwingen der diamant läst /
Wären mir längsten die adern gesprungen /
Aber der donnerstein bleibet zu fest /
Daß ich nun sagen muß: steinerne zier /
Alles ist härter als steine bey dir.
(Theil 4 S. 112-116)

Collection: 
1709

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