Ob sonn'ger Schein die Erde verklärt, ob Lenz
Mit Grün sie schmückt, ob wogender Meeresbraus
Uns hehr umtost, ob Sternenglanz in
Laulichen Nächten den Raum durchleuchtet:
Chaotisch-wüst doch starret die Welt uns an,
Wenn Liebe fehlt: von Menschen und Dingen nur
Ein bunt Gewirr, zwecklos und friedlos,
Scheint sie dem Auge des Ungeliebten.
Erst wenn das Wort, das heilige, große Wort:
"Ich liebe dich" von lieblichen Lippen schallt,
Dann fliehn, die schwermuthreich vordem die
Dinge verhüllten, die nächt'gen Schatten.
Es tagt, es tagt! und über die öde Welt
Läuft blitzgleich rings holdseliger Glanz, wie einst,
Als machtvoll-hehr: "Es werde Licht!" der
Ruf von den Lippen des Schöpfers tönte.
Vor klarem Blick dann, lieblichen Einklangs voll,
Liegt schön-verklärt die prangende Welt, und leicht
Erahnt das Herz, den heiß wir suchen,
Ueber der Erde den ew'gen Frieden.
Aus: Gedichte von Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890