Letzte Lieder

Schwarz und still in meinem Hirn,
Schwarz und still in meiner Stube,
Nur der Pendel meiner Uhr
Hüpfet wie ein munt’rer Bube.
Plötzlich zuckt auf Deinem Bild,
Farblos, wie auf einem Grabe –
Ein verirrter Mondenstrahl,
Mahnt, daß ich noch Thränen habe.

Ist es Friede, ist es Glück,
Was durch meine Träume zieht,
Unsichtbar, wie Blumenduft,
Leise, wie ein Kindeslied?

Kehrt die Jugend mir zurück,
Jene Sehnsucht, die mich mied,
Seit des Lebens kalte Luft
Mich und meine Seele schied?

Durch die dicht verhängten Fenster
Dringt das dumpfe Wagenrollen,
Und verscheucht die Nachtgespenster,
Die im Traum mir nahen wollen.

Aber rauschend durch mein Zimmer
Wogt ein Meer von wirren Tönen,
Und aus all’ dem Schmerzgewimmer
Hör’ ich meine Seele stöhnen!

Hör’ ich meine Seele weinen –
Nicht um dieses Leibes Sterben –
Doch es bangt ihr vor dem kleinen,
Müden, einsamen Verderben.

Über meinem Lager hängt,
Welk, bestaubt und abgestorben,
Ein beflorter Lorbeerkranz
Neben Myrthen, längst verdorben.

Und in meinem Fiebertraum
Schaute ich sie wieder blühen –
Und mich selber jugendfreudig
Unter ihrem Duft erglühen.

Aber ach, das Fieber schwand.
Welk, so wie mein eig’nes Leben,
Schaue ich die Kränze dort
Nur an dünnen Fäden schweben.

Der alte Kampf ist ausgekämpft;
Weit hinter mir liegt jede Qual,
Es fiel in meines Lebens Frost
Der erste warme Sonnenstrahl.

Weit hinter mir liegt Groll und Leid
Durch milde Thränen aufgethaut.
Mein Auge hat zum ersten Mal
Die Wahrheit und das Glück geschaut.

Leg’ auf mein Haupt, so fieberheiß,
Die kühle weiche Hand,
Mein brennend Antlitz wende leis’
Und sachte hin zur Wand;

Es ist so schwer mein Augenlied
Daß ich’s nicht heben kann,
Und meine Lippe dürr’ und müd’
O schaue mich nicht an! –

Wend’ sachte mein Gesicht zur Wand;
Kann ich Dich auch nicht seh’n,
Fühl’ ich doch Deine weiche Hand
Und Deines Athem’s Weh’n.

Rasch durch das dunkle Zimmer huscht
Mein Vogel, traurig singend,
Er will hinaus in’s Sonnenlicht,
Er zwitschert schüchtern-dringend.

Flieg’ in die kalte fremde Welt,
Flieg’ über Thal und Hügel,
Du kleiner Vogel, hast ja heut’
Noch ungebroch’ne Flügel. –

Es pfeift der Wind sein frostig Lied,
Und eiserstarrte Tropfen
Wirft klirrend an die Scheiben er,
Die Kranken wach zu klopfen.

Die alte Frau an meinem Bett
Nickt müd’, in Schlaf versunken,
Die Kohlen im Kamine sprüh’n
Bei jedem Windstoß Funken.

Aufhorchend knurrt der kleine Hund,
Um ächzend fortzuträumen,
Das Lampenlicht spielt flackernd roth
Mit der Tapete Bäumen.

Der nackten Göttin weißes Bild
Lacht höhnisch auf mich nieder.
Es pfeift der Wind – Gedanken zieh’n. –
Ich find’ den Schlaf nicht wieder.

Leg’ Du mich in den Sarg hinein,
Schließ Du den Deckel zu,
Und hinter meinem Sarg allein,
Geh’ Du – Niemand als Du.
Den ich geliebt, und Leid’s gethan
Warst Du – nur Du allein ....
Komm’ nie zu meinem Grabe Mann,
Ich will vergessen sein.

Collection: 
1870

More from Poet

Uns’re Schiffe willst Du lenken
Nun nach einem gleichen Ziel?!
Fern Dir, losgerissen treib’ ich,
Längst der wilden Stürme Spiel.
Fürchte Du das böse Zischen,
Kalte Grollen, fürcht’ das Meer,
Lass’ mich ringen mit den Wogen,
Einsam, haltlos, ohne...

Reize mich nicht – o reize mich nicht!
Ich könnte sonst vergessen,
Wie viel ich thörichte Liebe für Dich
Und Selbstverleugnung besessen!

Ich könnte vergessen, was ich Dir galt
Und was ich um Dich gelitten,
Drum reize mich nicht – o reize mich nicht,...

In bangen Nächten, wenn der graue Wahnsinn
Mit dürren Fingern an das Hirn mir pochte,
Wenn glüh’nde Thränen meine Kissen netzten,
Mein wildes Herz vor Zorn und Sehnsucht kochte –
In solchen Nächten war mir der Gedanke,
Daß Du noch lebst, daß ich Dich...

Es zuckt durch meine Seel’ ein Blitz
Mit gelben unheimlichen Flammen,
Er leuchtet wie der Verzweiflung Witz,
Er zischet wie kaltes Verdammen,
Er zeigt mir in seinem fahlen Licht
Nur einen einz’gen Gedanken:
Ich seh’ ein weißes Todtengesicht
Auf...

Ihr seid beleidigt, weil ich nicht
Gerührt in Eure Arme stürze
Und das Verzeihungs-Arangement
Mit keiner Reuescene würze.
Ich flehte nicht, Ihr selber seid
Nun plötzlich gnädig mir gewogen;
Doch legt die Gnadenmienen ab,
Schaut, welche Kluft Ihr...