Irmgart

1.
Mit deinem Schicksal will ich rechten,
Das um die Jugend dich betrog,
Und das auch dir in bangen Nächten
Ein Kummertheil der Sorge wog.

Wo ist der Gott, mit dem ich zürne,
Und der mein Klagelied versteht,
Dass auch die reinste Engelstirne
Dem Mal des Dulders nicht entgeht!

Ist dir vielleicht so früh beschieden
Des Lebens schwermuthvoller Ernst,
Damit du frühe schon dem Frieden
Und früh dem Glück entsagen lernst?

So arm ist all das bunte Träumen,
Dass ach! für dich der Erdenkreis
Auch nicht in einer Hütte Räumen
Ein stilles Glück zu geben weiß.

2.
Warum bist du so schön?
Du hast mich nicht gefangen,
Als fröhlich einst dein Herz;
Hell glühten deine Wangen -
Ich bin vorbei gegangen
In ahnungslosem Schmerz.

Warum bist du so schön?
Ich seh' dich trauernd wieder,
Entfärbt der Wange Schein;
Die Thräne rinnt hernieder -
Nun klingen meine Lieder
Von deinem Schmerz allein.

Warum bist du so schön?
Dein Frühling ist entschwunden
Mit seiner Lust Getön;
Du zeigst mir deine Wunden -
Nun hab' ich's erst empfunden,
Wie schön du bist, wie schön!

3.
Ich glaubt', in stürmender Windeseil'
So käme die Liebe gefahren,
Sie trät' aus der Wolke mit klingendem Pfeil,
Eine Göttin mit wallenden Haaren!

Sie winkt', und bräche im Morgenschein
Die alten Tempel zusammen,
Schmetternd und wetternd ins Herz hinein
Glühende, sprühende Flammen!

Ich glaub' und glaubte ... Du thöricht Herz,
Nun ist die Liebe gekommen;
Wie ein tönendes Lied voll Lust und Schmerz
Ist sie über die Wasser geschwommen.

Sie kam, sie weckte, sie küsste mich -
Nun sing' ich und lache und weine;
Mit klingenden Liedern begrüß' ich dich,
Du Eine, du Reine, du Meine!

4.
Du weißt es nicht, dass ich dich liebe,
Und schweigend berg' ich meine Gluth,
Dass nicht der schöne Traum zerstiebe,
In dem mein Herz und Leben ruht.

Nicht stören will ich dein Entfalten;
Mag über deinem Angesicht
Der stille Gott der Liebe walten -
Ich künde meine Flammen nicht!

Bald geh' ich fort ... du siehst mich scheiden,
Und glaubst, ein Bruder ging dir fort;
Du lächelst trüb ... vielleicht uns Beiden
Versagt das letzte Abschiedswort.

Und wenn du dann im Abendschimmern
Des Träumers denkst auf ferner See:
Dann magst du ahnen, dass ich zimmern
Für dich und mich die Hütte geh'.

5.
Vielleicht, sie werden mich verdammen,
Dass ich mein Zelt zusammenschlug,
Und so viel' heiße Lebensflammen
In ferner Wälder Schatten trug.

Sie blieben kalt dem vollern Tönen,
Das einst so hell die Welt durchsprüht;
Nun möchten sie sich fast versöhnen,
Da milder schon die Flamme glüht.

Wenn trüber stets der Selbstsucht Schlange
Im kalten Herzen höhnt und zischt,
Wird's ihnen doch zuweilen bange,
Dass bald das Feuer ganz erlischt. -

Du lass sie gehn! Du kannst verbannen
Den Spöttern nicht das Herz von Stein:
Nur in der Wildnis der Savannen
Darfst du es wagen, Mensch zu sein!

6.
Noch einen Blick, noch einen tiefen, langen -
Dann wollt' ich gehn. Da hast du mich geneckt:
"Was lässt du so an mir die Blicke hangen?"
Dein Fragen, Liebchen, hat mich fast erschreckt.

Ein Sinnen lag auf deiner Römerstirne,
Und dunkler flammte deiner Auge Pracht,
Als gönntest du dem kranken Dichterhirne
Den Frieden nicht, den kurzen, vor der Schlacht.

O glaubst du: kühner wird mein Arm sich heben,
Wenn mir der Hass die rothe Fackel trägt,
Als wenn der Menschheit ganzes, volles Leben
In deinem Kusse mich zum Kampf erregt?

Doch hier den Schwur: wenn Lieb' und Kampf, die beiden,
Sich nicht vertrügen, wo man Schwerter zieht,
Wollt' ich entsagend selbst die Liebe meiden -
So will's die Zeit, und ihr gehört mein Lied!

7.
Ja, diese Welt ist leer und trübe,
Sie stößt die Gluthen kalt zurück,
Und gönnt uns kaum das bisschen Liebe,
Und gönnt uns kaum das bisschen Glück.

Ob dich's in alle Fernen triebe,
Ob du in Wüsten dich verbannst:
Kein Plätzchen, wo das bisschen Liebe
Du vor dem Hass beschirmen kannst!

Und dennoch glauben wir, es bliebe
Ein unentdecktes Inselland,
Wo dir und mir das bisschen Liebe,
Das bisschen Glück den Hafen fand.

8.
Einer Heimat hab' ich dich entrissen,
Eine Heimat sollst du wiedersehn;
Und die Stätte, Liebchen, sollst du wissen,
Wo verheißend uns die Hütten stehn.

Aus den Wolken tritt der Mond, der klare,
Und das Reh am Waldesrande lauscht,
Tief im Westen, wo der wunderbare
Kolorado seine Lieder rauscht.

Rohr und Binse regen sich und neigen
Ihre Häupter schwer und schlummermüd,
Bunte Vögel schaukeln in den Zweigen,
Und die märchenhafte Tulpe blüht.

Deine Sorgen dämmern nur von ferne,
Wie ein Traum von einer andern Welt,
Wenn im Glanz der abendlichen Sterne
Urwaldsduften um die Hügel schwellt.

Hier in diesem weltvergessnen Frieden
Weiß Natur Erhörung dem Gebet,
Dass ein warmes Menschenherz hienieden
Nicht vergebens um die Heimat fleht.

9.
Wer hat den rauschenden Psalm erdacht: Ich liebe dich!
Wer hat das klingende Lied gemacht: Ich liebe dich!

Einst schliefen die Felder, es sprach kein Mund
In träumender Nacht: Ich liebe dich!

Da fand die Seele das Schöpfungswort,
Und flüsterte sacht: Ich liebe dich!

Zwei Blicke trafen sich - voller klang
Es gluthenentfacht: Ich liebe dich!

Die Sterne blinkten, ihr Blinken sprach
Von himmlischer Wacht: Ich liebe dich!

Und als am Morgen die Sonne kam,
Das leuchtet und lacht: Ich liebe dich!

So über die weite Erde ging's
Mit flammender Pracht: Ich liebe dich!

10.
Glaubt' ich doch, in goldner Zukunft Tagen
Als ein Kämpfer in der Schlacht zu stehn,
Und der Freiheit Banner wollt' ich tragen,
Und den Tag des Ruhmes wollt' ich sehn.

Müdes Herz! dein Hoffen ist entschwunden,
Nicht die Völkersonne wirst du schaun,
Täuschung weckt dich statt der rothen Wunden,
Statt zu kämpfen, wirst du Stämme haun.

Doch getrost! vertrau dem Wanderstabe,
Überm Meere finden wir die Ruh' -
Bald vielleicht auch winkt ein blonder Knabe
Dir mit hellem Kindesauge zu.

Wo kein Fuß zertrat die dunklen Moose,
Und die Karaibenrose lacht,
Mag er selber, eine wilde Rose,
Träumend aufblühn in der Waldesnacht.

Lanze, Pfeil und Bogen soll er tragen,
Dass er nicht den eignen Stamm verflucht,
Wenn der rothe Mann in künft'gen Tagen
Hier die Rettung vor den Weißen sucht.

11.
O nein, hinweg mit diesem Urwaldsrauschen,
Mit dieser trunknen Schlummerseligkeit!
Ich mag das Schwert um Liebe nicht vertauschen,
Und meine Lenden gürt' ich schon zum Streit.

So lange noch bis spät zum Abendstrahle
Durch alles Land der Hass die Arme reckt;
So lang Ein Bettler noch am Freudenmahle
Der reichen Welt umsonst die Hände streckt;

So lang sie heucheln, wenn sie Liebe reden,
So lang die Erde feil, und feil das Glück: -
So lang verzicht' ich auf den Traum von Eden,
Und geb' euch lächelnd eure Gunst zurück!

Mit euch kein Friede! Speere will ich werfen,
Und wenn mich Liebe kurz in Schlummer singt,
Soll auch die Liebe nur die Pfeile schärfen,
Dass tiefer noch mein Lied zum Herzen dringt!

12.
Du hast mir nie dein Leid geklagt,
Wie sehr du elend, nie gesagt;
Doch glaub' ich fast, dass meiner Seele
Dein frommes Auge Nichts verhehle.

Dein frommes Auge! Lächeln will
Der Mund, die Lippe regt sich still:
Doch in dem Auge, dünkt mich, scheinen
Verborgner Gram, verhaltnes Weinen.

Und wenn du freundlich auch gelacht:
Du weintest dennoch über Nacht,
Dass in der Jugend Mai du Arme
Verlassen so, dass Gott erbarme!

Wie dürft' ich klagen, dass sich nie
Dein stolzes Trauern Worte lieh,
Wenn in der Sprache, leicht ergründet,
Des Auges so dein Schmerz sich kündet?

Zu dir um Liebe wollt' ich flehn -
Du aber heißt mich ferne stehn,
Und mehr noch einsam und verlassen
Wird auch dein letzter Stern erblassen.

13.
Ich will dich vor dir selbst verklagen,
Dass mir dein Sinn so feindlich ist.
Du hast mir Lieb' und Trost erschlagen -
Ich will dich vor dir selbst verklagen,
Und hören, ob du schuldlos bist.

Dir hab' ich Alles hingegeben,
Als mich zuerst dein Blick entflammt;
Ein liederklangumtöntes Leben -
Dir hab' ich Alles hingegeben,
Was meiner dunklen Brust entstammt.

Ein Gott auf sichrer Freudenwelle,
Lenkt' ich mein Boot in stolzer Ruh';
Und trug, umblitzt von Sonnenhelle,
Ein Gott auf sichrer Freudenwelle,
Der Zukunft meine Schätze zu.

Da musste dich das Schicksal senden,
Eh' noch mein halbes Ziel erreicht;
Das Steuer brach in meinen Händen -
Dich musste das Geschick entsenden,
Dass all mein stolzer Muth erbleicht.

Ich fleh' es laut: o gieb sie wieder,
Die Perlen, die du mir geraubt!
Der Träume Glanz, die muntern Lieder,
Wo sind sie hin? - o gieb sie wieder,
Da noch mein Herz an Liebe glaubt!

Du Licht in meines Lebens Sturme,
Wird mir dein Hoffnungsstrahl verwehn?
Das Feuerzeichen dann am Thurme
Erlischt, und in des Lebens Sturme
Muss ich verzweifelnd untergehn!

14.
Ich schwebte heut auf weichen Traumesflügeln
Mit dir hinab in heiße Tropengluth,
Wo zwischen Pisangwald-bewachsnen Hügeln
Die Hinde badet in der Morgenfluth.

Hibiskus rankte seine Winterflocken
Zu flammenden Akostablüth' empor,
Und Senega mit ihren Purpurglocken
Einwiegte träumend schon das Zuckerrohr.

Ich wandte mich, indess ich Cyrosollen
Und Pracht-Jolanden dir zum Kranz ersah,
Und warnte treu dich vor den düftevollen
Giftpflanzen Tarpoën und Siliba.

Du zürntest nicht, du schautest in die Wellen,
Dann, wie erwachend, gabst du mir die Hand,
Und neu beseligt las ich in den hellen
Gluthaugen, dass der Täuschung Wahn entschwand.

Ich sprang empor, und küsste dich im Traume -
Da wacht' ich auf, von deiner Gluth besiegt ...
Und war ein Thor nur, der im öden Raume
Des Schlummers noch sein schmerzlich Elend wiegt!

15.
In heißem Kampfe mit der Welt und dir
Hab' um dein Herz ich lange nun gerungen,
Getrotzt dem Schicksal, und den Spott bezwungen,
Den Glückverbittrer zwischen dir und mir.

Nun fiel mein Loos! In Liedern hab' ich hier
Mein süß Geheimnis dir ins Herz gesungen;
Noch weiß ich nicht, ob mir der Sieg gelungen,
Weiß nicht, ob du mir kündest: "Scheiden wir!"

Sprich aus das Wort! Vereinsamt, trüb und stumm,
Wenn du mich fliehst, hinschreit' ich in die Nacht -
Ein starker Mann doch spräch' ich: Sei es drum!

Noch aber hoff' ich, und Gewährung lacht
Aus deinem Auge siegeshell mir zu -
Nach so viel Kampf Erlösung, Glück und Ruh'!

16.
Du liebst mich nicht! Nach so viel Leiden
Stößt du mich fremd und zürnend fort!
Kein Gruß, kein Händedruck zum Scheiden -
Du liebst mich nicht! Nach so viel Leiden
Ein kalt und frostig Abschiedswort!

Wohl hab' ich nie dein Herz besessen,
Kein herber Tadel trifft dein Ohr!
Mir ward das Elend zugemessen -
Ich darf, weil ich dich nie besessen,
Nicht klagen, dass ich dich verlor!

So schreit' ich nun ins kalte Leben,
Verhüllt die Wunden, ernst zurück.
Umsonst mein Ringen, Glühn und Streben,
Umsonst vielleicht mein halbes Leben,
Wie mein geträumtes Jugendglück!

Mir ist von Allem Nichts geblieben
Das ich als mein begrüßen darf!
Von all der Gluth, von all dem Lieben
Ist nur die Asche mir geblieben,
Darein ich meine Perlen warf!

Und dennoch möcht' ich ohne Klagen
Festwurzelnd stehn im Meer der Zeit;
Ein Fels im Sturme möcht' ich ragen,
Bis über mir zusammen schlagen
Die Wogen der Vergessenheit!

Collection: 
1870

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