Bei Kerzenlicht, im prunkhaft weiten Saale
Stand eine blasse, knospenjunge Blume,
Mit breiten Würzelein in enger Schale.
Nur spärlich lag die frische Erdenkrume
Im köstlichen Gefäß, das sie umschloß;
Ein golden Haus! und doch im Marterthume.
Da war kein Sonnenglüh'n, das sie umfloß,
Kein kühner Nachtwind, der ihr Krönlein küßte,
Kein Falter, der in ihrem Schooß genoß.
So künstlich eingehegt, daß nicht die Lüste,
Und nicht den Kampf der Jugend sie empfand.
Noch kaum im Blühen, ging sie schon zur Rüste.
Da hat ein tief Gefühl mich übermannt -
Und zu der welken Blume trat ich leise,
Enthob die Süße leicht mit meiner Hand,
Und lös'te sie aus dumpfem Zauberkreise.
- So fand ich einst auch eine Menschenblüthe
Und trat zu ihr in liebesstiller Weise.
Wie sie in ungeweckter Kraft erglühte,
Sehnsucht nach Sonne in dem kleinen Herzen,
Wie sie sich angstvoll aus der Sphäre mühte,
Die nichts ihr gab als falsche Gluth von Kerzen
Und sie umschmeichelte mit schwülem Duft;
Und wie sie endlich matt ward von den Schmerzen,
Da trug ich sie in lenzesgoldne Luft,
Und lös'te ihres Daseins Wurzeln sacht
Aus jener gleißenden, doch engen Kluft.
Und in der allerersten Frühlingsnacht
Begann in ihr ein solches Lebensdrängen,
DAß die zurückgedämmte Jugendmacht
Den vollen Knospen thät' die Fesseln sprengen.
Und ich erkannte meine Blume kaum,
Ich sah sie ganz voll goldner Blüthen hängen ...
Ein wundervoller Trieb vom Lebensbaum,
- Dies Eine fühlt' ich überwältigt nur -
Ward so zurückbefreit aus engem Raum
Und falschem Prunk zur glücklichsten Natur!
aus: Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Leipzig 1885