Die jenes Haus bewacht,
Um unter Liebchens Fensterlein
Zu schildern Tag und Nacht.
Dann säh' ich sie frühmorgens gleich,
Wenn sich ihr Vorhang regt,
Und Abends spät beim Zapfenstreich,
Wenn sie sich niederlegt.
Bei Tage ging mein Pendellauf
Hier unten hin und her;
Sie schaut herab, ich schau' hinauf,
Was will die Schildwacht mehr?
Und wann es stürmt in Wintersgraus,
Dann deck' ich mich in Ruh,
Beschirmt vom sich'ren Schilderhaus,
Mit meinem Mantel zu.
Mich friert auch nicht, weil Sonnenschein
Mir keiner Zeit gebricht:
Bei Tag aus ihren Aeugelein,
Zu Nacht von ihrem Licht.
So halt' ich sie in treuer Hut,
Sie kann in Frieden ruhn,
Und wer ihr was zu Leide thut,
Der hat's mit mir zu thun.
Wagt gar ein lüsterner Gesell
Dem Haus und ihr sich nah,
Den arretir' ich auf der Stell'
Und schreie: Halt, wer da!?
Doch kommt sie sittsamlich einher
Und tritt aus ihrem Haus,
Flugs präsentir' ich das Gewehr
Und rufe: Wache 'raus!
Bei Gott, die Schildwacht möcht' ich sein,
Die Liebchens Haus bewacht,
Um unter ihrem Fensterlein
Zu schildern Tag und Nacht!
Aus: Franz Dingelstedt's Sämmtliche Werke
Erste Gesammt-Ausgabe in 12 Bänden
Siebenter Band Zweite Abteilung
(Lyrische Dichtungen Erster Band)
Berlin Verlag von Gebrüder Paetel 1877