Elend

Weißt du, was in wachen Winternächten
Mir wie Tod durch mein Gehirn geschlichen,
Daß, berührt von ungekannten Mächten,
Alles Blüh'n zu Schatten hingeblichen?

Weißt du, was die leidensheiße Quelle
Meiner Thränen selbst zu Eis gehärtet?
Weißt du, was mich an des Irrsinns Schwelle
Hingeführt und mich vor mir entwerthet?

Und warum mir reiche Lenzesstunden,
Dunkler Wetterdrang der Sommertage,
Gleichen Maßes, gleichen Werths geschwunden?
Ohne Jubellaut und ohne Klage?

Und warum das Schöne nicht zum Glücke
Mich mehr zwingt und Arges nicht zum Leiden?
Und warum gebrochen liegt die Brücke
Zwischen dir und mir, uns armen Beiden?

Weil ich Göttlichkeit in dir begehrte
Und doch nur ein kindisch Herz gefunden.
Weil ich dich als Schmerz- und Glückgefährte
Lebensfordernd an mein Sein gebunden;

Und du dich mit plumpen Kinderhänden
Aus dem Zauberbande losgerungen,
Hast'gen Spiel's, nicht mit der Lust zu enden,
Doch von jämmerlichem Trieb bezwungen.

Und zur Stunde hat sich Fürchterliches
Tief in mir entwirkt; in die Gedanken,
Durch das Hirn und durch die Adern schlich es
Mir wie Tod; und - Alles fühlt' ich wanken.

Um mein lodernd Herz hat sich's geschlossen
Wie ein unzertrennlich Band von Eisen;
Und was je mir Seliges entsprossen,
Liegt nun starr in diesen Todeskreisen.

Gleichwie das verrathne Herz der Sage
Sich umfesseln ließ mit erznem Ringe,
Daß von Weh und rückgezwungner Klage
Allzujähem Drang es nicht zerspringe!

aus: Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Leipzig 1885

Collection: 
1885

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