Das war wohl im Mai, da zum letzten Mal
Wir Beide begegnend uns trafen.
Der knospende Park und der Bergessee
Lag blitzend im Sternlicht entschlafen.
Feldüber verloren die Wege sich
In leuchtend verschlungene Kreise -
Du zogest mich wortlos mit dir dahin
Und athmetest glühend und leise.
Die Träume von Glück sind ja lange todt -
Was kommst du von draußen wieder,
Und hebst vom gestorbenen, dunklen Blick
So geisterhaft weit deine Lider?
Von fern hallt Musik - wie ein banger Ruf
Zurück zu den seligen Zeiten ...
Ach, daß wir uns gluthend dereinst geliebt,
Das liegt nun in dämmernden Weiten.
O küsse mich nicht! denn ich trinke Leid
Vom Munde dir nur, von dem rothen!
Laß ab! denn es ist ja so jammervoll,
Vom Schlafe zu rufen die Todten.
Du sprachest: "Und weißt du nicht, blasse Frau,
Daß Nächtens Begrabne erwachen?
Und daß dann die armen Vergessenen hell
Und selig wie ehemals lachen?"
Mir graut' es - das Sternenlicht zittert fahl
Und flimmernd ringsum an den Büschen -
Der weiße Hollunderbaum duftet schwül -
Die Nachtigall schluchzte dazwischen ...
Lautaufweinend schlug ich den Arm um dich
Und flehte dich jammernd zu gehen.
Du seufztest tief auf - und der Wind begann
Uns schaurig und laut zu umwehen.
Weit vor uns da seh' ich aus Dämmerniß
Zwei mondhelle Waldpfade blinken -
Du gehe zur Rechten und wende dich nicht -
Ich wandere weinend zur Linken ...
aus: Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Leipzig 1885