Abend

(Nach einem alten Holzschnitt)

Lehnst an meine Schulter du
Sanft dein Haupt mit Schweigen,
Spiel ich dir ein altes Lied
Auf der alten Geigen.

Und die Seele, mild gerührt
Ob dem süßen Klingen,
Fliegt zum hellen Abendrot
Auf der Hoffnung Schwingen.

Und im Auge dir und mir
Glänzt die stille Frage:
Bleiben Lieb' und Seligkeit
Bei uns alle Tage?

Wenn die Rosen sind verblüht,
Wenn die Saiten sprangen,
Wird ob unserm Haupte dann
So der Himmel prangen? -

Stumm noch lauschst du meinem Lied,
Ob ich schon geendet;
In die Weite traumeshell
Ist dein Blick gewendet.

Collection: 
1902

More from Poet

  • (Die Geliebte spricht:)

    Ach, mit gepreßtem Herzen
    War ich aufs Lager gesunken;
    Ich hatte heimlich-verschwiegen
    Den Kelch des Leids getrunken.

    Ich wähnte das Glück verloren;
    In bangen Zweifelstunden...

  • Mit meinem Lieb durchstrich ich deutschen Wald,
    Und froher Rausch aus grünem Licht und Duft,
    Aus Windes-Orgelklang und Bergesluft
    Ergriff die freudeoffenen Herzen bald.
    O Kuß in eines Walds geheimstem Grund!
    Fern oben über...

  • Rings umschattet uns schweigendes Waldesgrün;
    Atmende Dämmrung hebt sich sacht zu den Wipfeln;
    Nur durch die Lichtung glänzt und glitzert
    Des Stromes rinnender Spiegel.
    Da faßt du mich lächelnd bei beiden Händen
    Und fragst mich,...

  • Du sollst mir nicht so scheu bewundernd,
    So staunend in die Augen sehn;
    Nicht soll mein Bild so übermächtig,
    So stolz vor deiner Seele stehn.

    Du sollst nicht wähnen, daß mein Denken
    Sich frei im reinen Lichte wiegt,...

  • Oft wenn am Fenster glüht die Lampe
    Und du mir winkst den Scheidegruß,
    Weilt unten noch im stillen Garten,
    Gebannt durch Zaubermacht, mein Fuß.

    Dann trifft mich noch aus deinen Augen
    Ein Blick so wundersam und tief,...