54.

54.
Und dennoch wacht in mir dies bange Fragen:
Was bindet mehr in unerlöster Pein?
Sich selbst getreu auf Höhen einsam sein
Und stolz des Schöpfers Dornenkrone tragen /

Und anderseits dies restlos Sich-Entsagen,
Verrinnen wie vergoßner Tropfen Wein,
In Liebe sein, doch winziges Sandkorn sein,
Und machtlos sehn, wie andre aufwärts ragen?

Ach, daß ich frage, ist viel Not und Schwäche.
Kann Wille wirksam sein, wo Zweifel bangt?
Wer weiß für mich, wohin mein Sein verlangt,
Und wo sie fließen, jene Flammenbäche,
Die läuternd meine Seele so durchdringen,
Daß sie vermag, das Rechte zu vollbringen?

Collection: 
1912

More from Poet

9.

9.
Durch nächtliche Gassen welch süßes Getön,
Wie zwitschernde Vögel in Träumen,
Wie flüsternde Binsen, wie zartestes Wehn
Von Winden in knospenden Bäumen!

Ich öffne das Fenster und blicke hinaus
Und lausche mit...

8.

8.
Unvergleichliches Entzücken
Blüht mir auf aus buntem Strauß;
Welche Freude, ihn zu pflücken,
Sommerglück ans Herz zu drücken!
Trag ihn armevoll nach Haus.

Häufe ihn in schönstem Glase,
...

7.

7.
Zuweilen geh ich morgens in den Garten,
Wenn noch der Tau die nackten Füße streift,
Verschlafne Vögel auf die Sonne warten
Und alles sacht dem Licht entgegenreift;

Dann trinken meine nachterfrischten Sinne
All...

6.

6.
Es ist nicht Sitte, daß ein Weib es wage,
In ein Sonett ihr Fühlen zu ergießen,
Sie soll sich nur dem Gatten ganz erschließen,
Nur dieser seis, dem sie die Seele klage.

Und daß ich doch nun so in Versen sage
Von...

63.

63.
Nur Stunden noch kann meine Seele wachen
Und weit in Ferne nach dir suchen gehn,
Ein letztes Mal die Liebe anzufachen /
Nur Stunden noch, dann kommt der schwarze Nachen,
Und steinern kalt wird Dunkel mich umstehn.

...