Zwei Geschicke

Er liebt von Herzen, liebt so wahr,
Wie Mund und Augen sprechen.
Sie spielt und tändelt, immerdar
Bereit mit ihm zu brechen.

Er fühlt sich ohne Ruh und Rast
Zu seinem Stern getrieben;
Der Leichtgesinnten wird zur Last
Ein allzutreues Lieben.

Sie sucht sich einen Buhlen neu,
Und heimliches Vergehen
Entdeckt sich endlich ohne Scheu,
Der Arme muß es sehen.

Des Herzens Reichthum, Liebesdrang,
Die Quellen seiner Lieder,
Sie werden leidenschwer und bang
Und beugen ihn darnieder.

Und was ihn sonst erquickt, genährt
Gleich süßem Himmelsbrote,
Wird nun zu Gift ihm; er verzehrt
Und härmet sich zu Tode.

Die Leichte flattert, liebt und lacht
Und äugelt nie vergebens,
Sie fühlt in Siegen ihre Macht
Und freut sich ihres Lebens.

Aus: Gedichte von Melchior Meyr
Berlin Verlag von Julius Springer 1857

Collection: 
1857

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