Du liebes Bild, das mir erschienen!
So kindlich heiter und so fein,
Mit lichten, seelenholden Mienen!
Welch' eine Lust war's, dir zu dienen
In deiner Augen süßem Schein!
Das Schicksal hat dich mir entrissen -
Die Sonne schwand. Ich bin umwebt
Von öden, bangen Finsternissen,
Daß mir in Sehnen und in Missen
Das leiderfüllte Herz erbebt.
Ist es die Nacht in Trennungs-Wehen,
Die Licht mir in die Seele gibt? -
Ich sehe dich in Glorie stehen -
Und hab' dich nie wie jetzt gesehen,
Und hab' dich nie wie jetzt geliebt!
Dein Auge strahlt zu mir hernieder
Und glänzt in's tiefste Herz hinein.
Das Traumgebilde meiner Lieder,
Du bist's, du bist's! Ich seh' dich wieder!
Du mußt, du wirst die Meine sein!
Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874