Xviii.

XVIII.
Es schneit und eist den ganzen Tag,
Der Frost umfängt mich scharf und blank,
Und wie ich mich geberden mag -
Nun liegt sie wirklich ernsthaft krank!

Verödet ist das Paradies,
Das sonst auf ihrem Angesicht;
Nur zitternd blieb und ungewiß
Der Augen mildes Sternenlicht.

Nur wenn ich alle Tag ein Mal
An ihrem Krankenlager bin,
So fällt ein heitrer, klarer Strahl
Auf meine feuchten Augen hin.

Und wenn wir so beisammen sind,
Dann lieb' ich still sie anzuschaun
Und träumend ob dem lieben Kind
Den Frühling wieder aufzubaun.

Noch ziert den Mund ein leichtes Rot
Und immer noch des Kusses wert -
Sie läßt's geschehen, weil die Not
Die Menschenkinder beten lehrt.

"Ich lieb' nicht deinen feinen Mund,
Nur deine Seele ganz allein -
Im Frühling wollen wir gesund
Und beide wieder fröhlich sein."

Und wenn der Arzt kommt, lügen wir
Ihn tröstlich voller Hoffnung an;
Doch hab' ich heimlich neben ihr
Zu Gott manch heiß Gebet getan.

Das ist der erste Kummer, so
Mir schwer und ernst ins Leben bricht;
Wie werd' ich wieder leicht und froh,
Wenn ihm der Lenz das Urteil spricht! (S. 88-89)

Collection: 
1806

More from Poet

  • VI.
    Wohl ist die Lilie wunderbar,
    Wenn stolz sie sich im Garten wiegt,
    In ihrem Kelche, sonnenklar,
    Langsam der Morgentau versiegt;
    Doch mag ich gehn und wandern,
    So weit nur Lilien stehn,
    Ist keine vor der andern
    Mit höherm Schmuck versehn.

    ...
  • V.
    Viele Wochen sind entflohn,
    Seit ich Dich gesehen;
    Hab' auch lange Tage schon
    Keine Blum' gesehen!

    Keine Blumen und kein Lieb -
    Ach was soll das werden?
    Was soll aus dem Frühlingstrieb
    In mir innen werden?

    Zwar noch stets der Lenz...

  • IV.
    Nun in dieser Frühlingszeit
    Ist mein Herz ein klarer See,
    Drin versank das schwere Leid,
    Draus verdampft das leichtre Weh.

    Spiegelnd mein Gemüte ruht,
    Von der Sonne überhaucht,
    Und mit Lieb' umgießt die Flut,
    Was sich in dieselbe taucht.

    ...
  • III.
    Sitzt man mit geschloßnen Augen
    Einsam in dem dunkeln Zimmer,
    Blitzt oft durch die zarten Lider
    Plötzlich roter Kerzenschimmer;
    Weiß ich doch, daß Sonnenstrahlen
    Durch die Augendeckel dringen
    Und in flimmernden Gebilden
    Sich um unsre Seele...

  • II.
    Durch's Frührot zog das Wolkenschiff
    vor einem hellen Frühlingstag,
    Als ich, ein träumend Schülerkind,
    im morgenstillen Felde lag;
    Ein Falter streifte meine Stirn,
    und vor mir eine Lilie stand;
    Ich aber schaute drüber hin
    in's tiefe, blaue...