Wo? und wie?

Wo wir uns wiedersehn? Ich weiß es nicht;
Ich weiß es nicht, ob wir uns einst mit Flügeln
Aufschwingen werden von den grünen Hügeln
Der Erde zu der Sterne klarem Licht?

Ob einst uns dünken wird der Gang auf Erden
Gleich einem Traum, verscheucht vom Morgenrothe?
Ich weiß es nicht, auch nicht, ob die Gebote
Der Zeit, des Raumes einst noch gelten werden?

Auch weiß ich nicht, wie wir uns wiedersehen?
Ob wieder ich als Mann und du als Weib?
Ob Gottes Athem uns zu einem Leib,
Zu einer einz'gen Seele wird verwehen?

Vielleicht, Geliebte, daß einst unsre Herzen,
Der Lust entsagend, gleichen einem Paar
Dem Dienste Gottes fromm geweihter Kerzen,
Bei heil'ger Feier scheinend am Altar.

Vielleicht! Doch daß wir brechen einst die Siegel,
Die uns die Seele halten hier im Bann,
Und unaussprechlich glücklich werden dann,
Daß wir dann sehn in einen klaren Spiegel,

Von göttlich wunderbarem Licht umflossen,
Und in ihm schaun, was in den tiefsten Gründen
Des Herzens ruht hienieden noch verschlossen,
Das kann ich mit Gewißheit dir verkünden.

Collection: 
1865

More from Poet

  • Wenn ich an die Zeit gedenke,
    Wo ich dich geliebet hab',
    Ist's, als ob verborgne Gründe
    Oeffnete ein Zauberstab.

    Mag sich meine Brust umpanzern,
    Ach! mich schützt kein Schirm, kein Schild,
    Wie durch leichtgewebte...

  • Wo bist du, süßer Traum?
    Wo bist du, goldner Stern?
    Bist du's, am dunkeln Wolkensaum
    Du Licht, so bleich und fern?
    Ich stehe starr und stumm,
    Ich kann's, ich kann's nicht fassen -
    O sage, sprich, warum,
    ...

  • Nichts will ich missen. Nein, ich gebe hin
    Auch nicht die schmerzlichste Erinnerung;
    Um zu verbergen, ist zu stolz mein Sinn,
    Um zu vergessen, bin ich noch zu jung.

    Nichts will ich missen - denn es ward ein Theil
    Von meinem...

  • So öde war's, die Kohle war verglommen,
    Und rings herum lag kalte graue Asche,
    Nur bange Seufzer athmeten beklommen.

    Da ließ ich ab von jenen dunkeln Pfaden,
    Da stürzt' ich fort, die kranke Seele wieder
    Im Flammenmeere des...

  • "Gieb mir Leben! Gieb mir Liebe!"
    Fleh' ich früh schon, wenn das Licht
    Mit den ersten goldnen Strahlen
    Durch die Wolkenschleier bricht.

    "Gieb mir Leben! Gieb mir Liebe,
    Ew'ger Geist, bis in den Tod!
    Denn du bist ja...