Werinhers Bergfahrt

   
Lenz im Walde
Es sprach der Abt von Tegrinsee:
"Schon nisten unsere Schwalben,
Herr Wernher, macht Euch auf den Weg,
Schaut aus nach unsern Alben!"

Da ging der Mönch den Pfad dahin,
Ihm ward so seltsam zu Sinne,
Es wob durchs tiefe Tannengrün
Ein Singen voller Minne.

Wie ist der Morgen wundersüß
In solchen Maientagen! -
Er sah die wilden Veilchen blüh'n,
Er hörte die Drossel schlagen.

Und immer lauter schlug auch sein Herz:
"Mög' mich der Himmel strafen!" - -
Herr Wernher, Euer Herz wacht auf,
Und Eurer Herz soll schlafen!

Fichtenschlag
Durchs Dickicht zog er wie verzückt,
Durch grüne Hochwaldhallen,
Da hört' er fern im Waldesgrund
Den Ruf der Axt erschallen.

Er horchte lang und ging ihr nach,
Seitab ging er von dannen,
Bis er zur höchsten Fichte kam -
Da stunden emsige Mannen.

Er sah sie fällen, die Fichte grün,
Er horchte auf ihr Stöhnen,
Er sah verströmen ihr golden Blut,
Und wie sie stürzte mit Dröhnen.

Die Mannen jauchzten: "Die hat uns wohl
Um lange Mühe betrogen,
Nun aber wird der trotzige Stamm
Ins Kloster hinabgezogen!"

Herr Wernher sah den Mannen zu
Und finster sind seine Brauen,
Und finster wird seine eiserne Stirn,
Ihn faßt es wie leises Grauen.

Mit beiden Händen dämmt er ein
Der Brust gewaltiges Wogen: -
So ward wohl mancher von edlem Stamm
Ins Kloster hinabgezogen!

Auf der Alben
Und wie er trat aus dem Gehölz,
Da standen die braunen Hütten -
Da tritt des Klosters holde Magd
Herzu mit scheuen Schritten.

Trägt süße Labung ihm herbei
Und frägt nach seinem Begehren
Und kündet ihm, sie wolle getreu
Des Klosters Wohlfahrt mehren.

Zeigt ihm der Herde weißes Vließ
Und all' die Blümlein am Grunde,
Er aber führt die Labung nicht
Zu seinem schweigenden Munde.

Ihm ward zu Sinn, wie einst ihm war
In wonnigen Jugendschmerzen,
Da er noch trug sein langes Haar
Und Sehnsucht im heißen Herzen!

Diemudis
Diemudis war die Maid genannt,
Die roten Locken quollen:
"Herr, seht Ihr die Gemsen dort an der Wand?
Hört Ihr die Felsen rollen?"

Da fuhr er empor im langen Kleid,
Als griff' er nach Pfeil und Bogen:
""Wie tausendmal bin zum Gejaid
Ich selber hinausgezogen!

Wie hundertmal bin ich ins Feld
Auf wildem Hengst geritten!
Diemudis, wie viel hab' ich getan,
Wie mehr hab' ich gelitten!""

Wie seine Stirne bebt und schwillt!
Er hat die Faust erhoben -
""Nun bin ich selber ein armes Wild,
Doch wohlig ist es hier oben!""

Er faßt das Mägdlein bei der Hand,
Die roten Locken quollen:
""Siehst du die Gemsen dort an der Wand?
Hörst du die Felsen rollen?""

Gefangen
Sie hatte den blauen Blick gesenkt
Und sprach: "Wie soll ich's Euch lohnen,
Daß Ihr mir so viel Huld geschenkt!
Mög' Leid Euch immer verschonen!

Ich bin des Klosters arme Maid
Und bin dem Kloster zu eigen,
Ich bin nicht frei, wie Ihr es seid,
Was könnt' ich Euch Holdes erzeigen?"

Da sah er sie an so wonnescheu,
Es flammten seine Wangen.
""Diemudis (sprach er), du bist frei,
Herr Wernher ist gefangen!""

Frau Minne
Es blitzt sein Aug', es bebt sein Mund,
Ihm ward so süß' zu Sinne,
Sie saßen nieder im grünen Grund -
Frau Minne kommt, Frau Minne.

Er sprach: "Es keimt in Wald und Feld,
Die Blumen grüßen und winken,
Nur einmal noch laß mich die Wonne der Welt
Von roten Lippen trinken!

Von deinen Lippen heiß und weich!"" -
Da hat er sie umfangen ….
Der arme Herr Wernher, er war so reich
Mit seinen glühenden Wangen.

Die bunten Blümlein, sie nickten scheu,
Die Vöglein lockten und riefen -
Und über ihnen stieg ein Weih
In flutende Himmelstiefen.

Mit den Falken
Dann aber hob sein Falkenaug'
Herr Wernher von der Erden:
""O könnten die zwei Arme doch
Zwei rauschende Flügel werden!"" - -

Und die zwei Arme breitet er
Aus wallenden Gewanden: -
""O könnt' ich solch ein Falke sein!
Diemud, hast du's verstanden?

Hoch über dir und nah bei dir
So ganz im Blauen schweben! -
Mein ewig Heil, ich gäb' es heut'
Um solch ein Falkenleben!""

Abendstunde
Und vor der Hütte auf dem Stein
Saß er an ihrer Seite,
Und mancher lange Seufzer gab
Den Worten das Geleite.

Er sprach von ferner Jugendzeit,
Er sprach von fernen Landen,
Er sah es nicht, wie weit und breit
Die Sonnenstrahlen schwanden.

Da schrak er auf – da horcht' er auf -
Was mag der Klang bedeuten?
Doch aus der Tiefe steigt herauf
Des Klosters Abendläuten!

"Leb' wohl, leb' wohl!" – Er war so traut
Zur Seiten ihr gesessen.
Daß tief da drunten ein Kloster lag,
Er hatte es ganz vergessen.

Im Chore
Im nächt'gen Chor zu Tegrinsee
Da sitzen die Mönche, die frommen,
Herr Wernher war zur rechten Zeit
Zur Mette noch gekommen.

Herr Wernher saß in seinem Stuhl
Und sang die Weise, die alte,
Doch durch sein Beten klang es hin
Wie Vogelsang im Walde.

Und durch sein Beten zog es hin
Wie lauter Blumen und Sonne …
"Ich bin dîn, du bist mîn"* -
Er schloß die Augen vor Wonne.

Dann ward es stille in seiner Brust.
"Mög' mich der Himmel strafen!"
Herr Wernher, Euer Herz wird wach,
Und Euer Herz muß schlafen!

* Anfang des berühmten, mit Unrecht
dem Werinher zugeschriebenen Liedes.

Collection: 
1908

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