Walpurgisnacht

Zu Roß, mein Lieb, mein süßes Lieb,
Wir müssen schnell von dannen,
Von dannen durch die tiefe Nacht,
Durch Feld und Hag und Tannen!
Hinweg von unsrer Feinde Herd,
Die uns nur Fluch und Hohn beschert
Und uns ins Elend bannen.

Blick' auf, mein Lieb, mein süßes Lieb,
Walpurgisnacht ist heute!
Es schwirren um den starren Berg
Gar wundersame Leute.
Es drehen sich im Hochzeitstanz
Und treiben wilden Mummenschanz
Die grauen Hexenbräute.

Fürwahr, mein Lieb, mein süßes Lieb,
Sie gleichen ganz den Fratzen,
Die unser Glück vergifteten
Mit Droh'n und süßem Schwatzen.
Die Augen stierten gläsern kalt;
Die Leiber sind verschrumpft und alt;
Sie fauchen wie die Katzen.

Hinweg, mein Lieb, mein süßes Lieb!
Hier kann das Glück nicht weilen.
Umfasse du mich ohne Graun
Und laß uns fürder eilen!
Wir finden unsre Heimat doch,
Und läg' sie in der Ferne noch
Viel hundert, hundert Meilen! -

O sieh, mein Lieb, mein süßes Lieb,
Zerflattert sind die Sorgen!
Da steigt die Sonne rot empor,
Die sich so lang verborgen.
Was ferne glüht in stiller Pracht
Und was so hell in uns erwacht:
Das ist der Maienmorgen!

Collection: 
1902

More from Poet

  • (Die Geliebte spricht:)

    Ach, mit gepreßtem Herzen
    War ich aufs Lager gesunken;
    Ich hatte heimlich-verschwiegen
    Den Kelch des Leids getrunken.

    Ich wähnte das Glück verloren;
    In bangen Zweifelstunden...

  • Mit meinem Lieb durchstrich ich deutschen Wald,
    Und froher Rausch aus grünem Licht und Duft,
    Aus Windes-Orgelklang und Bergesluft
    Ergriff die freudeoffenen Herzen bald.
    O Kuß in eines Walds geheimstem Grund!
    Fern oben über...

  • Rings umschattet uns schweigendes Waldesgrün;
    Atmende Dämmrung hebt sich sacht zu den Wipfeln;
    Nur durch die Lichtung glänzt und glitzert
    Des Stromes rinnender Spiegel.
    Da faßt du mich lächelnd bei beiden Händen
    Und fragst mich,...

  • Du sollst mir nicht so scheu bewundernd,
    So staunend in die Augen sehn;
    Nicht soll mein Bild so übermächtig,
    So stolz vor deiner Seele stehn.

    Du sollst nicht wähnen, daß mein Denken
    Sich frei im reinen Lichte wiegt,...

  • Oft wenn am Fenster glüht die Lampe
    Und du mir winkst den Scheidegruß,
    Weilt unten noch im stillen Garten,
    Gebannt durch Zaubermacht, mein Fuß.

    Dann trifft mich noch aus deinen Augen
    Ein Blick so wundersam und tief,...