Am Hochzeitstage

Laut rollt der Hochzeitswagen durch die Gasse.
Wir ruhen drin, zu stillem Glück geeint.
Sieh, wie die Sonne glänzt durch Regenwolken -
Die Hoffnung lacht - und die Erinnrung weint.

So ist's ein Fest der Wonne wie der Trauer.
Ich fühl's, da neue Liebe mich beglückt,
Wie lang genossne, unvergoltne Liebe
Mit schwerem Vorwurf meine Seele drückt.

Der Eltern denk ich, der verlassnen, alten.
Und während mich dein Zauber hold umgiebt,
Erfaßt es mich mit wehmuthsvoller Mahnung,
Wie zärtlich sie mich je und je geliebt.

Sie ließen mich den Traum der Jugend träumen.
Leicht schlug mein Herz! - ihr Haupt war sorgenschwer;
So zweifle nicht, wenn sich mein Auge feuchtet!
Der Sommer prangt - ein Frühling kommt nicht mehr.

Wie rasch der Wagen rollt! Wir fliegen selig
Und zukunftstrunken in die Welt hinaus.
Euch Sternen meiner Jugend send' ich Grüße
Ins abendrotumkränzte, stille Haus.

Verzeiht dem heißen Drang der jungen Seelen,
Der euch des vielgeliebten Sohns beraubt -
Unsterbliches Gedächtnis eurer Liebe,
Und Segen über euer greises Haupt!

Collection: 
1902

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