Es schaut vom Bergesrande
Die öde Kapelle zu Thal,
Zu ihr aus fernstem Lande
Sonst zogen die Menschen zumal.
Sie nahten, andächtig zu wallen
Zum thronenden Heiligenbild;
Wen schlimmes Gebresten befallen,
Des Weh ward hier gestillt.
Doch jetzt herrscht drinnen Schweigen,
Längst schwand der fromme Sinn,
Die Wolken in wirbelndem Reigen
Jagen darüber hin. -
Zum Berg aus Thalesgrunde
Klimmen wir früh am Tag,
Mein Herz trägt schlimme Wunde
Von manchem Schicksalsschlag.
Mein Herz, so herb zerschlagen,
Bei dir nur findet's Ruh';
Zu scheuchen des Lebens Plagen,
Das Wunder vollbringst nur du.
Um dich wie Tempelhallen
Wölbt sich des Himmels Azur,
So lasse mich niederfallen
Vor dir in der heil'gen Natur.
Laß huldreich auf mir weilen
Dein Aug', so sanft und mild:
O wolle das Herz mir heilen,
Du süßes Heiligenbild!
Aus: Gedichte von Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890