So lange, lange nicht begrüßten,
Und die doch insgeheim
Die Lippen meiner Seele küßten,
Horch, Lerchenwirbel klingt
Im Lenze der Erinnerung,
Und ein Entzückter singt,
Von deinem Liebreiz ewig jung.
Nie hab ich dir's bekannt,
Wie ich dich innig angebetet,
Doch wenn ich vor dir stand,
Bin ich, bist du alsbald erröthet;
Nie hat mein Wort, mein Blick
Getrübt den Frieden deiner Brust,
Und doch, o süßes Glück,
Hast du um mein Gefühl gewußt.
Das macht, die Liebe ist
Wie Balsamhauch der Rosendüfte,
Ob ihr den Garten schließt,
Durchwürzet doch er rings die Lüfte.
Nun ich dich wiedersah
Nach langer qualenvoller Zeit,
Ist auch ein Lied schon da,
Ein Rosenduft von Seligkeit.
O dieses Augenlicht,
Das hold und forschend auf mir ruhte,
Nein, ich vergess' es nicht
Und nie die selige Minute;
Es frug und sprach sein Schein:
"Wie hast du Armer denn gelebt?
Gedachtest du auch mein?
Ich weiß es, was dein Herz begräbt."
Ob deiner ich gedacht?
Ach und mit welcher Seelenwonne,
Du Stern in meiner Nacht,
Du meiner Tage Licht und Sonne:
So unerreichbar mir,
Der ich so ganz von dir erfüllt,
Und doch mein Herzpanier,
Mein Augentrost und Kummerschild.
Im Sturm ein junges Blut
Hat sich in Gottes Hand gegeben,
Es stürzt sich in die Flut
Und schwimmend rettet es sein Leben;
Und so ich armer Mann,
Wenn meiner Leiden Sturm erwacht,
Nur dein gedenk' ich dann
Und schreite muthig durch die Nacht.
aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858