Der Vogel

Ich fuhr hinaus auf's Land; der Wagen offen,
Die Seele war es auch,
Und durch den Busen zog von süßem Hoffen
Ein wundersüßer Hauch.

Es grüßten freundlich mich die Blüthenzweige,
Als ahnten sie mein Glück,
Und winkten: singe jetzt - und schweige
Kehrst du von ihr zurück.

Da griff ich in des Herzens stille Saiten,
Doch klang es leis' nur nach:
Der Himmel rief mit seinen Herrlichkeiten
Nur stumme Träume wach.

Und sieh, ein Vogel aufgeschreckt vom Neste
Durch Hufschlag und Geroll,
Er flüchtet in des nächsten Baumes Äste
Und birgt sich sorgenvoll.

Doch weiter muß er fliegen, fortgetrieben,
Und angstemporgestört,
Bis ihm der Baum vor'm Fenster meiner Lieben
Ersehnte Ruh' gewährt.

Ich trat zu ihr; des Zimmers traute Stille,
Der Liebe Blick und Kuß,
Sie gaben eine Seligkeitenfülle
Und Glück im Ueberfluß.

Was wurde da nicht all auf Einem Sitze
Getändelt ohne Ruh,
Die Sonne sah durch Lindenblüthenritze
Dem süßen Spiele zu.

Der kleine Vogel aber, der versteckte,
Sang hell dazu sein Lied;
Es war, als ob er unsre Liebe neckte,
Und was er sah verrieth.

Und was er da erlauschte, das Geheimniß,
Er trug's im Fluge fort,
Und sang es wohl, der Schwätzer, ohne Säumniß
An manchem andern Ort.

Und lehrt es wohl in seinem Nest die Jungen:
So kam es nach und nach,
Daß nun von unsrer Liebe schon gesungen
Die Vögel auf dem Dach.

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer

Collection: 
1838

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