Traum

Stunden gibt es, wo
mich der eigne Schritt
übereilt und nimmt
meine Seele mit.

Könnt’ ich halten sie,
würd’ ich selig sein.
Ach, zuweilen glänzt
in den Tag der Schein.

Weiß dann, wie es war,
seh’ ein lichtes Land,
eh’ ich in die Zeit
wurde umgewandt.

Staunend stand ich da
und ein Bergbach rinnt
und das ganze Tal
war mir wohlgesinnt.

Und der Wind befiehlt,
damit leichtbeschwingt
alles in der Luft
heute mir gelingt.

Habe jedes Glück
schon im Flug ereilt.
Alles ist Geschlecht,
wir sind ungeteilt.

Alles, er und sie
und ein jeglich Ding
mir in dieser Nacht
an die Sinne ging.

Wie sie vollends mich,
wie sie sich vergaß,
und mein Todfeind ach
ihr zur Seite saß —

unvergeßlich Bild
unverlorner Spur
von der Übermacht
schwacher Weibnatur!

Elfenbeine sinds:
sagt ins Ohr der Traum,
und die ganze Welt
ist ein Zwischenraum.

Sie verduftet mir
durch die Sphären hin,
immer ist es so,
wie wenn Pappeln blühn.

Wie dein Stern zerbrach,
weiß nicht, wie’s geschah.
Deiner Erde doch
bleib’ ich ewig nah.

Immer heißer wird’s
mir auf dieser Bahn,
viele Pforten sind
schon mir aufgetan.

Eh mir noch verläuft
dieser Lebenslauf,
ruf’ ich was es gab
mir zum Zeugen auf.

Alles wird Gesicht,
jedes Ding ein Mund.
Welche bunte Welt!
Plötzlich spricht ein Hund.

Grundlos leben wir,
reichen bis zum Mond.
Einer zeigt mein Grab,
das noch unbewohnt.

Einer führt ein Buch
und trägt Sünden ein —
alle retten sich,
alle trinken Wein.

Eine Glocke schrillt,
daß die Decke birst.
Wenn du heute nur
nicht gerufen wirst!

Schon betäubt der Tag
das verlorne Ohr;
noch umfängt den Blick
jener grüne Flor.

Wär’ mein Tag vorbei!
Wieder umgewandt
kehrt’ ich aus der Zeit
in das lichte Land!

Collection: 
1920

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