Sturm

     Es wüthet der Sturm,
Und er peitscht die Well’n,
Und die Wellen, wuthschäumend und bäumend,
Thürmen sich auf, und es wogen lebendig
Die weißen Wasserberge,
Und das Schifflein erklimmt sie
Hastig mühsam,
Und plötzlich stürzt es hinab
In schwarze, weitgähnende Fluthabgründe –

     O Meer!
Mutter der Schönheit, der Schaumentstiegenen!
Großmutter der Liebe! schone meiner!
Schon flattert, leichenwitternd,
Die weiße, gespenstische Möve,
Und wetzt an dem Mastbaum den Schnabel
Und lechzt, voll Fraßbegier, nach dem Mund,
Der vom Ruhm deiner Tochter ertönt,
Und lechzt nach dem Herzen,
Das dein Enkel, der kleine Schalk,
Zum Spielzeug erwählt.

     Vergebens mein Bitten und Flehn!
Mein Rufen verhallt im tosenden Sturm,
Im Schlachtlärm der Winde;
Es braußt und pfeift und prasselt und heult,
Wie ein Tollhaus von Tönen!
Und zwischendurch hör’ ich vernehmbar
Lockende Harfenlaute,
Sehnsuchtwilden Gesang,
Seelenschmelzend und seelenzerreißend,
Und ich erkenne die Stimme.

     Fern an schottischer Felsenküste,
Wo das graue Schlößlein hinausragt
Ueber die brandende See,
Dort am hochgewölbten Fenster,
Steht eine schöne, kranke Frau,
Zartdurchsichtig und marmorblaß,
Und sie spielt die Harfe und singt,
Und der Wind durchwühlt ihre langen Locken,
Und trägt ihr dunkles Lied
Ueber das weite, stürmende Meer.

Collection: 
1827

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