Sein Traum

Und immer, wenn der Tag die Erde ließ,
Erstand ein Bild den überwachen Sinnen:
Ein trautes Nest. Ihm schien's ein Paradies,
Die Herzgeliebte schaltete darinnen;
Und kam er heim, dann schlang sie Arme weiß
Um den Ersehnten, küßt' ihn stark im Dunkeln.
Er flüsterte: "Was ist Dein Mund so heiß ..."
Sie gab zurück: "Was Deine Augen funkeln!"

Dann saßen sie beseligt still selband -
Sie liebt' an seine Brust ihr Haupt zu lehnen -
Und sprachen wieder ernsthaft, Hand in Hand,
Von ihren Sorgen und von ihren Plänen.
Und wollte beiden dann der Rede Fluß
Vorm Ueberschwange des Empfindens stocken,
Dann fand sein scheuer Mund im raschen Kuß
Der Schwererrung'nen dunkelbraune Locken.

Und dann, wenn unter also holdem Tun
Die Schatten über seine Stirne glitten -
Sie merkt' es, raunte: "Sag', was sinnst Du nun?"
"Wie vieles Leid um Liebe Du gelitten!"
Sie lachte hell: "Du lieber Tor! und mußt
Du immer Dich mit toten Sorgen tragen?"
Ein schweres Seufzen brach aus seiner Brust:
"Mein Glück bedrängt mich! Liebste, hilf mir's tragen!"

Hier schloß sein Traum. Er barg sein schmal Gesicht
In seine müden, arbeitsharten Hände.
Er war allein. Ein fahles Lampenlicht
Erhellte seiner Stube kahle Wände.
Sein Herz, das ungestüme, schlug mit Macht,
Durch seine Glieder lief ein jähes Beben,
Und schleppenrauschend fühlt' er durch die Nacht
Sein graugeaugtes Traumglück sich entschweben ...

Collection: 
1908

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