Sehnsucht

1814

Wenn Flammen nährend durch die Tiefen schlagen,
Daß droben Duft und Leben sich entzündet,
Und tausendfarbig in des Maien Tagen
Sich Blatt an Blatt der Erde Schoos' entwindet;
Wenn von des Westes Arm' emporgetragen,
In summend Leben freudig sich verkündet, -
Dann möcht' ich mich in Blüthenkelchen wiegen,
Wie Bienen, und in Düften still versiechen.

Wenn ich, des Mittags bange Gluth zu kühlen,
Mich liebend senk' in Stromes klare Wellen;
Wenn Silberfunken scherzend mich umspielen,
Als wollten sie die Tiefen mir erhellen,
Und Lebensströme, wonniglich zu fühlen,
Aus zweitem Himmel mir entgegenquellen, -
Dann möcht' ich offnen Arms hinab mich tauchen,
Mein Leben drunten selig zu verhauchen.

Wenn kühlend mich mein Blätterdach umdüstert,
Des Baches Wellen plätschernd mich umkreisen;
Wenn lind' ein West durch schwanke Zweige flüstert
Und Waldessang sich regt in muntern Weisen,
Die Wesen all', in Andacht fromm verschwistert,
Mit Liebeslauten ihren Vater preisen, -
Dann möcht' ich auf des Tones leichten Schwingen
Anbetend, preisend in das All verklingen.

Wenn Mondesstrahlen flimmernd niederthauen,
Durch Thal und Büsche Silberfaden weben,
Und Funken über Berg' und Blumenauen,
Wie sel'ge Kinder, liebeleuchtend schweben, -
Dann fühl' im Herzen ich ein freudig Grauen,
Es will hinauf mich von der Erde heben;
Als könnt' ich so nur Fried' und Lust gewinnen,
Möcht' ich ein Strahl im Strahlenmeer verrinnen.

Wenn purpurn sich des Abends Wolken säumen, -
Auf ihnen möcht' ich dann zur Tiefe klimmen,
Und blick' ich auf zu jenen lichten Räumen,
Wo Welten schwesterlich bei Welten schwimmen,
Und heiter wachend über unsern Träumen
Herein zu uns aus blauen Nächten flimmen,
Dann möcht' ich wieder ach! so gern, so gerne
Zu euch hinan, ihr ewig sel'gen Sterne!

Wer soll die Wünsche mir, die wirren einen,
Daß sie nicht ferner mich in Zwiespalt trennen?
Soll ewig nur berauscht von leerem Scheinen
Mein Herz sich blinder Würfel Spiel bekennen,
An Stromes Rand, am Quell, in Schattenhainen
In neuer Sehnsucht ewig es entbrennen?
Kann aus des Lebens maaßlos irrem Ringen
Auf Erden Nichts, mir Nichts Errettung bringen?

O kehrte, was im Traum' ich jüngst gesehen! -
Ein Mägdlein war's; mit engelmildem Neigen
Sah ich's zu mir aus Paradieseshöhen
Auf Rosenwölkchen lieblich niedersteigen;
Wohl meint' ich in Entzücken zu vergehen,
So freundlich war, so huldreich ihr Bezeigen.
Mit süßem Gruß, im Auge Fried' und Segen,
Trat himmlisch sie dem Bebenden entgegen.

Ach - und verschwand! Auf flatterndem Gefieder
Trug grausam sie des Traumes Gott von hinnen! -
Drum klag' ich so. Doch kehrte je sie wieder
Und zeigte sich, wie damals, meinen Sinnen,
Und blickte hold, wie damals, auf mich nieder,
Nicht sollten länger meine Thränen rinnen;
Ich hätte Trost und Einigung gefunden,
Des langen Zwistes wollt' ich bald gesunden.

O, daß sie mir erschien'! Auf ihren Wangen,
Wo Lilien bei Rosen traulich liegen,
Wär' eine Blumenwelt mir aufgegangen,
Ich schlürfte Duft und Farb' in vollen Zügen.
Den ganzen Himmel säh' ich näher prangen,
Ich dürft ihn fassen, traut mich an ihn schmiegen!
Nicht blickt' ich mehr in weite Nebelferne;
In ihren Augen hätt' ich meine Sterne.

Entströmten ihr in hochbeglückter Stunde
Des heiligsten Entzückens süße Thränen,
Und tönte leise mir von ihrem Munde
Mit bangem, sittig zagendem Ertönen,
Mit Engellaut, der treuen Liebe Kunde,
Mit der Erfüllung Rosen mich zu krönen,
Nicht möcht' ich dann zu anderm Quell mich beugen,
Noch lüstern mich nach andern Tönen neigen.

O könnt' ich lange solchen Tönen lauschen,
An solcher Sterne Glanz mein Auge letzen,
In solchen Düften selig mich berauschen,
In solchen Strömen meinen Busen netzen,
Nicht wollt' ich's um der Erde Gold vertauschen,
Den Himmel neiden nicht mit seinen Schätzen,
Ja, freudig wollt' ich mich darein ergeben,
Erblühte mir der Tod in solchem Leben! (Band 1, S. 74-77)

Collection: 
1843

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