• Wo waren nur alle die Blumen versteckt,
    Die nun zum Blühen gekommen?
    Was hat die Mägdlein vom Schlaf erweckt,
    Die nun in Schönheit entglommen?

    Das war ein einziger leichter Hauch,
    Man weiß nicht, von wo er geblasen,
    Er küßte die Bäume, die Blumen, den Strauch,
    Die Wangen, die Erde, den Rasen...

  • Warum ist Liebe wandelbar?
    Die kleine Maid, die scheue,
    Ist flatterhaft und liebt wohl gar
    Ein wenig sehr das Neue?

    Sie hat auch gar zu viel zu thun,
    Vermittelt viele Küßchen,
    Der Blüthenstaub läßt sie nicht ruhn,
    Sie macht die kleinen Nüßchen.

    Die Nüßchen mit dem...

  • Im Mondenschein,
    Im Rosenhain
    Ein zärtliches Viertelstündchen!
    Wie macht Natur
    So künstlich nur
    Einfältige Rosenmündchen?

    Am Waldesrain
    Zu Zwein allein,
    Man findet sich ohne Säumniß!
    Wie macht Natur
    So einfach nur
    Der mächtigen Lieb Geheimniß?...

  • O Wunderkraft der Liebe!
    O Liebeswunderkraft!
    Als ob je ruhn sie bliebe,
    Hätt jemals ausgeschafft!

    Sie ruhet in sich wieder
    Von ihrem Schaffen aus,
    Sinkt in sich selber nieder,
    Steigt jung verschönt heraus.

    Sie braucht nicht erst zu brennen,
    Um kühn sich...

  • Du sollst im Zaume halten die Leidenschaft,
    Doch niemals lassen erkalten die Leidenschaft,
    Du bleibst ein Dämon, Held und Gott,
    Kannst Du in Gluth erhalten die Leidenschaft.

    aus: Meine Ruh von Carmen Sylva
    Höhen und Tiefen
    Zweite Auflage Berlin 1885 (...

  • O Liebe! leuchtendes Himmelskind,
    Mit göttlichen Urgewalten!
    Du wehst vorüber wie warmer Wind,
    Ein Athmen über die Welt, da sind
    Viel tausend neue Gestalten!

    O Liebe! breite die Flügel weit
    Ob all den heiligen Stätten,
    Da Deine Samen Du hingeschneit,
    So blüthenfiedrig, im...

  • Während dort im hellen Saale
    Lustberauscht die Gäste wogen,
    Hält ein Ritter vom Gedränge
    Einsam sich zurückgezogen.

    Wie er von dem Sofa aufblickt,
    Wo er ruhet in Gedanken,
    Sieht er neben sich die Dame,
    Der er dienet sonder Wanken.

    »Sind es Sterne, sind es Sonnen,...

  • Wer sollte fragen: wie's geschah?
    Es geht auch andern eben so.
    Ich freute mich, als ich dich sah,
    Du warst, als du mich sahst, auch froh.

    Der erste Gruß, den ich dir bot,
    Macht' uns auf einmal beide reich;
    Du wurdest, als ich kam, so rot,
    Du wurdest, als ich ging, so bleich.
    ...

  • (Neugriechisch)

    Da nachts wir uns küßten, o Mädchen,
    Hat keiner uns zugeschaut;
    Die Sterne, die standen am Himmel,
    Wir haben den Sternen getraut.

    Es ist ein Stern gefallen,
    Der hat dem...

  • Nimm mich verirrten Jäger,
    Du gute Sennerin, auf;
    Es lockte mich über die Gletscher
    Die Gemse mit flüchtigem Lauf.

    Bin fremd auf dieser Alpe,
    Verlassen für und für;
    In rauher Nacht verschließe
    Nicht hart mir deine Tür. -

    Muß, Jäger, wohl sie verschließen,...