O Liebe! leuchtendes Himmelskind,
Mit göttlichen Urgewalten!
Du wehst vorüber wie warmer Wind,
Ein Athmen über die Welt, da sind
Viel tausend neue Gestalten!
O Liebe! breite die Flügel weit
Ob all den heiligen Stätten,
Da Deine Samen Du hingeschneit,
So blüthenfiedrig, im Wolkenkleid,
In Kelches Schooß sie zu betten!
O Liebe! geh nicht vorbei! dort steht
Noch eine Blume verlassen
In stiller Trauer! fast ists zu spät,
Sie neigt das Häuptchen und flüstert, fleht
Um unbedachtes Umfassen.
aus: Meine Ruh von Carmen Sylva
Höhen und Tiefen
Zweite Auflage Berlin 1885